Rechnungslegung & Finanzen
08. Mai 2025
WP/StB Daniel Scheffbuch / Dobrica Drvoshanova

Nutzung von KI in der Nachhaltigkeitsberichterstattung – Teil I: Prozess der Berichterstellung

Grafik Zahnräder greifen ineinander

Im Rahmen der EU-Omnibusverordnung werden die ESG-Berichtspflichten erheblich begrenzt. Dennoch verbleibt ggf. ein sehr erheblicher Arbeitsaufwand für eine gute Nachhaltigkeitsberichterstattung. Dieser kann durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) nochmals erheblich reduziert werden. Im vorliegenden Teil I dieses Beitrags stellen wir zunächst die Prozessschritte der Berichterstellung dar. Im zweiten Teil wird im nächsten Monat eine Beschreibung folgen, wie und welche KI-Tools in einzelnen Prozessschritten unterstützend eingesetzt können.

Einführung

KI-Tools sind Softwareanwendungen, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren. Diese Tools sind darauf ausgelegt, die menschliche Intelligenz nachzuahmen, komplexe Aufgaben zu erlernen, zu analysieren und selbstständig weiterzuentwickeln. Bekannte Beispiele für solche KI-Software sind Chatbots und generative KI für die Texterstellung oder Bildbearbeitung. Am bekanntesten ist vermutlich das Tool ChatGPT. Dabei handelt es sich um ein Sprachmodell, das darauf trainiert wurde, menschliche Sprache zu verstehen und in natürlicher Sprache zu antworten.

Im Rahmen dieses Beitrags wird dargestellt, wie der Einsatz von KI-Tools die Nachhaltigkeitsberichterstattung unterstützen kann. Zunächst werden hier nachfolgend in Abschn. 2 die Prozessschritte der Nachhaltigkeitsberichterstellung dargestellt. Es folgt in Teil II ein Überblick über exemplarische KI-Tools für die einzelnen Schritte. Abschließend sollen die Grenzen der KI-Anwendung in der Nachhaltigkeitsberichterstattung beleuchtet werden.

Prozess der Berichterstellung

Überblick

Die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts ist ein komplexer Prozess, der mehrere aufeinander aufbauende Phasen umfasst und zeitintensiv ist. Als besonders herausfordernd zeigen sich dabei nach Abklärung der grundsätzlichen Betroffenheit von der Berichtspflicht insbesondere drei Kernphasen: 

  • die Wesentlichkeitsanalyse,
  • die Datenerhebung und -auswertung sowie
  • die eigentliche Berichtserstellung.

Einzelne Phasen

1. Abgrenzung der Betroffenheit
Zunächst muss geprüft werden, ob eine Berichtspflicht besteht oder freiwillig berichtet werden soll. Ist dies der Fall, sind ein strukturierter Zeitplan sowie eine klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten erforderlich.

2. Wesentlichkeitsanalyse 
Entlang der Wertschöpfungskette sind bedeutende Stakeholder zu ermitteln und es ist eine erste Übersicht über mögliche zentrale Themen (Impacts, Risiken, Chancen – IROs) zu erstellen. Anschließend werden 

  • finanzielle und nichtfinanzielle Auswirkungen,
  • die Möglichkeit, diese zu korrigieren, und
  • deren Eintrittswahrscheinlichkeit 

bewertet. Die Ergebnisse legen fest, in welchem Umfang über ESG-Themen zu berichten ist.

Für Unternehmen ist die Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse mit wesentlichen Herausforderungen verbunden. Der Prozess reicht von der Erstellung einer ersten Themenliste (IRO-Longlist) bis hin zu spezifischen Analysen wie z.B. Klimaszenarien. Eine zentrale Schwierigkeit besteht darin, die relevanten Themen korrekt auszuwählen. Große Unternehmen tun sich oft schwer damit, den richtigen Detaillierungsgrad zu finden. Kleine und mittlere Unternehmen stehen hingegen vor der Herausforderung, die hohen Anforderungen der Standards mit begrenzten zeitlichen und personellen Ressourcen sowie begrenzter Fachkenntnis umsetzen zu müssen.

3. Ziele und Maßnahmen gem. ESRS
Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sind die Vorgaben der nichtfinanziellen Berichterstattung und als solche vergleichbar mit den IFRS für die finanzielle Rechnungslegung. Die ESRS fordern, dass Unternehmen für wesentliche Nachhaltigkeitsthemen konkrete Ziele und entsprechende Maßnahmen definieren. Die Nachhaltigkeitsstrategie soll in die übergeordnete Unternehmensstrategie eingebettet werden.

4. Datenerhebung und -auswertung 
Basierend auf der Wesentlichkeitsanalyse sind relevante Daten zu erfassen. Dies umfasst sowohl qualitative als auch quantitative Kennzahlen, die den ESRS-Anforderungen entsprechen. Ein Abgleich mit bereits bestehenden Unternehmensdaten kann dabei helfen, etwaige Lücken zu identifizieren und gezielt zu schließen. Besonders herausfordernd ist dabei die Vielfalt und Komplexität der Datenquellen. Standorte, Abteilungen, Lieferketten – all diese Bereiche liefern Daten, die in einheitlicher Form zusammengeführt werden müssen. Gerade international tätige Unternehmen sehen sich hier mit großem Aufwand konfrontiert. Die größte Hürde ist dabei nicht das Fehlen von Daten, sondern ihre Strukturierung, Nachvollziehbarkeit und Verwertbarkeit. Ein Beispiel ist die Erfassung sämtlicher Emissionen und deren Umrechnung in ein CO2-Äquivalent.

Hinweis

Effiziente und digitale Lösungen zur Datenerfassung und -verarbeitung werden daher immer wichtiger – nicht nur für eine Überprüfung der Einhaltung von Vorgaben, sondern auch für eine glaubwürdige und zukunftsorientierte ESG-Strategie.

5. Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts
Die vielen Informationen müssen in einen klaren, gut verständlichen Bericht überführt werden. Dabei müssen Inhalte aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt, auf inhaltliche Übereinstimmung geprüft und in eine verständliche sowie regelkonforme Sprache übertragen werden. Besonders aufwändig ist dabei die Texterstellung, da Formulierungen präzise, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen sein müssen.

Zwischenergebnis

Eine transparente und glaubwürdige Berichterstattung erfordert die Bereitstellung konkreter Zahlen, Fakten und Beispiele. Eine klare Darstellung relevanter Kennzahlen verbessert die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit für Stakeholder.

6. Veröffentlichung und Integration in Unternehmensprozesse 
Sofern eine Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung besteht, ist der Bericht als Teil des Lageberichts zu integrieren und im European Single Electronic Format (ESEF) zu veröffentlichen. Nach der Veröffentlichung ist es entscheidend, das Nachhaltigkeitsmanagement kontinuierlich weiterzuentwickeln und bestehende Prozesse fortlaufend zu optimieren.

Bedarf an unterstützender Software

Da die Berichterstattung für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden mit einem hohen Aufwand verbunden ist, ist die Nachfrage nach Software-Lösungen hoch, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Dabei können herkömmliche Tools zum Einsatz kommen, die einzelne Phasen des Prozesses unterstützen oder erleichtern. Besonders vielversprechend erweisen sich jedoch Softwarelösungen, die zunehmend auf KI setzen, um den manuellen Aufwand zu reduzieren und die Prozesse für die Nutzer effizienter zu gestalten.

In Teil II dieses Beitrags wird näher ausgeführt werden, wie KI-gestützte Tools die Nachhaltigkeitsberichterstattung wirkungsvoll unterstützen können: Sie helfen dabei, große Datenmengen effizient zu verarbeiten, regulatorische Anforderungen verständlich aufzubereiten und standardkonforme Berichte zu erstellen. Durch Automatisierung lassen sich Prozesse optimieren, Ressourcen einsparen und die Qualität sowie Nachvollziehbarkeit der Berichte steigern.

Vorab ist anzumerken, dass es sich in der Praxis selten um reine KI-Tools handelt. Vielmehr kommen Softwarelösungen zum Einsatz, die gezielt KI-Funktionen in ihre Anwendungen integrieren. Diese Lösungen begleiten den gesamten Berichtsprozess – von der Wesentlichkeitsanalyse über die Datenerhebung und -auswertung bis hin zur eigentlichen Berichtserstellung – und nutzen KI, um einzelne Arbeitsschritte effizienter und präziser zu gestalten.

Ausblick

Im zweiten Teil dieses Aufsatzes folgt eine Übersicht ausgewählter KI-Tools, die im Rahmen der Bearbeitung der einzelnen Prozessschritte in der Praxis unterstützen können.