Wohnsitzverlagerung ins Ausland: Steuerliche Risiken und Vermeidungsstrategien
Teil II: Anwendungsbedingungen alternativer Gestaltungsoptionen

Die Wegzugsbesteuerung stellt Gesellschafter von Kapitalgesellschaften vor erhebliche Herausforderungen – ohne frühzeitige Planung drohen existenzbedrohende Steuerbelastungen. In der Ausgabe 2/25 haben wir einen konkreten Praxisfall vorgestellt und für diesen die steuerlichen Belastungen berechnet. Nachfolgend werden als mögliche Strategien zur Vermeidung der Besteuerung ein geschicktes Wohnsitzmanagement, die Umwandlung in Personengesellschaften, der Aufbau von Holding-Strukturen oder die Übertragung auf Stiftungen vorgestellt.
1. Geschicktes Wohnsitzmanagement
Vorübergehende Abwesenheit
Besteht grundsätzlich die Absicht, den Wohnsitz nur vorübergehend ins Ausland zu verlegen, kann u.U. die sog. Rückkehrregelung nach § 6 Abs. 3 AStG greifen. Dadurch entfällt der Steueranspruch, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird und während seiner Abwesenheit keinen schädlichen Ersatztatbestand verwirklicht hat. Die Frist kann auf zwölf Jahre verlängert werden, sofern die Rückkehrabsicht weiterhin besteht.
Keine Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht
Die unbeschränkte Steuerpflicht endet nicht nur mit der Aufgabe des inländischen Wohnsitzes, sondern auch, wenn der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland beendet wird. Dabei gilt man in Deutschland nicht mehr als unbeschränkt steuerpflichtig, wenn man sich länger als 183 Tage in einem anderen Land aufhält.
Um die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland dauerhaft beizubehalten, muss somit ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland begründet werden können (§ 1 Abs. 1 EStG). Bei einem Umzug ins Ausland ist zu prüfen, ob nach einem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ebenfalls eine Ansässigkeit vorliegt.
2. Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft
Gestaltung
Von einer Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG sind nur Anteile an Kapitalgesellschaften i.S. von § 17 EStG betroffen. Als Gestaltungsmöglichkeit kommt daher die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft in Betracht. Hierdurch wird ein Wechsel zu einer Beteiligung in eine Mitunternehmerschaft vorgenommen.
Nach fast allen DBA steht dem Staat das Besteuerungsrecht an Einkünften aus einer operativen Personengesellschaft zu, sofern diese ihren Sitz im entsprechenden Land hat. Damit die Gesellschaft auch vom ausländischen Fiskus anerkannt wird, muss sie originär gewerblich tätig sein.
Sofern der Wunsch besteht, die Gesellschaftsform mit Haftungsbeschränkung fortzuführen, ist die Rechtsform einer GmbH & Co. KG geeignet. Die gängigste Methode zur Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft ist der identitätswahrende Formwechsel (vgl. §§ 190 ff. UmwG):
- Zunächst muss dabei eine Komplementär-GmbH gegründet werden. An dieser sollten dieselben Gesellschafter wie bei der bestehenden GmbH beteiligt sein.
- Anschließend wird die bestehende, operative GmbH in eine Kommanditgesellschaft formgewechselt. Die GmbH-Gesellschafter werden Kommanditisten, Vollhafter wird die neu gegründete Komplementär-GmbH.
- Für den Formwechsel ist ein Umwandlungsbeschluss (§ 193 Abs. 1 Satz 1 UmwG) erforderlich, der in einer Gesellschafterversammlung mindestens mit Dreiviertelmehrheit (§ 233 Abs. 2 UmwG) beschlossen und notariell beurkundet werden muss (§ 193 Abs. 3 UmwG).
Auswirkungen auf Gesellschaftsebene
Handelsrechtlich bleiben beim Formwechsel die Identität des Rechtsträgers sowie die Vermögens- und Beteiligungsverhältnisse erhalten. Es ändert sich lediglich die Rechtsform von der GmbH in eine GmbH & Co. KG. Die Buchwerte sowie die Anschaffungs- und Herstellungskosten der Wirtschaftsgüter werden fortgeführt. Durch die Eintragung in das Handelsregister wird der Formwechsel zivilrechtlich wirksam.
Im Steuerrecht wird demgegenüber eine Vermögensübertragung fingiert. In der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden GmbH sind die Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dies führt zur Aufdeckung stiller Reserven und zu einem Übertragungsgewinn bei der übertragenden GmbH, der körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig ist.
Auswirkungen auf Gesellschafterebene
Infolge des Formwechsels ändert sich die Besteuerungsform vom Trennungs- zum Transparenzprinzip. Dies bedeutet, dass die Besteuerung künftig auf Ebene der Gesellschafter der GmbH & Co. KG stattfindet.
Für diesen Systemübergang ist für die GmbH eine Vollausschüttung der thesaurierten Gewinne vorzunehmen. Nach § 7 UmwStG gelten sämtliche offene Gewinnrücklagen der Kapitalgesellschaft als fiktiv ausgeschüttet und müssen von den Gesellschaftern versteuert werden. Der Gewinn ist bei den Gesellschaftern zu 60% steuerpflichtig und mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern.
Beispiel: Im Praxisfall (siehe Teil I in der Ausgabe 2/2025 des PKF-Magazins) wurden Gewinnrücklagen in Höhe von 40 Mio. € angenommen. Daraus ergibt sich eine Steuerbelastung i.H. von 11,4 Mio. €.
3. Holding mit zusätzlicher GmbH & Co. KG
Gestaltung
Bei dieser Gestaltung wird eine neu gegründete GmbH & Co. KG als Holding zwischen die Gesellschafter und die GmbH gezogen. Dazu bringen die Gesellschafter ihre Anteile an der GmbH in das Betriebsvermögen einer neu gegründeten GmbH & Co. KG ein. Die einbringenden Gesellschafter werden Kommanditisten, halten infolgedessen Betriebsvermögen. Da die Beteiligung nicht mehr im Privatvermögen der Gesellschafter gehalten wird und § 17 EStG auf Anteile in einem Betriebsvermögen keine Anwendung findet, können die Gesellschafter ins Ausland ziehen, ohne dass der Tatbestand der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 1 AStG erfüllt wird.
Die GmbH & Co. KG ist Mutterunternehmen und nimmt die Stellung einer Holding ein, da sie die Beteiligung der GmbH hält und verwaltet. Die GmbH führt die operativen Tätigkeiten unverändert fort.
Substanzbedarf bei Wegzug in ein DBA-Staat
Zu beachten ist, dass die GmbH & Co. KG als Holding Substanz benötigt. Aus steuerlicher Sicht müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Beteiligung an der untergeordneten Tochter-GmbH der Betriebsstätte der Holding-GmbH & Co. KG zugeordnet wird. Grundsätzlich muss hierbei differenziert werden, ob der Wegzug in einen DBA-Staat oder in einen Nicht-DBA-Staat erfolgt.
Damit das deutsche Besteuerungsrecht an Dividenden aus der eingebrachten Beteiligung oder an einem Veräußerungsgewinn aus einer späteren Veräußerung der Beteiligung erhalten bleibt, müssen die Anteile in einer originär gewerblich tätigen GmbH & Co. KG gehalten werden und die Beteiligung sowie die hieraus resultierenden Einkünfte müssen dem originär gewerblichen Bereich zugerechnet werden können. Durch eine nur gewerblich geprägte GmbH & Co. KG wird „hindurchgeschaut“ und der Gesellschafter hat aus Sicht des anderen Staats Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Die erforderliche Substanz kann geschaffen werden, indem die Holding Konzerndienstleistungen erbringt (z.B. in den Bereichen Finanz- und Rechnungswesen, IT, Controlling, Legal, HR) und als solche abrechnet. Technisch kann die Substanz in die Holding gebracht werden, indem die GmbH den Verwaltungsbereich nach § 613a BGB auf die Holding überträgt.
4. Übertragung der GmbH auf eine Stiftung
Gestaltungsalternativen
Die Stiftung ist eine eigenständige juristische Person, die im Gegensatz zu einer Kapitalgesellschaft keine Anteilseigner hat. Der Gesellschafter kann somit ins Ausland ziehen, ohne die Wegzugsbesteuerung auszulösen. Bei der Übertragung auf eine Stiftung gibt es zwei Möglichkeiten:
- Übertragung der GmbH auf eine privatnützige Stiftung in Form einer Familienstiftung;
- Übertragung der GmbH auf eine gemeinnützige Stiftung.
Familienstiftung
Diese Vermeidungsstrategie eignet sich insbesondere für Gesellschafter, die bereits verheiratet sind oder eine Familie haben. Hierzu gründet der Gesellschafter vor seinem Wegzug eine Stiftung, in die er seine Anteile an der GmbH als Stiftungsvermögen einbringt.
Die Gründung einer rechtsfähigen Stiftung erfordert ein Stiftungsgeschäft sowie die Anerkennung durch die zuständige Stiftungsbehörde des jeweiligen Bundeslandes, in dem die Stiftung ihren Sitz hat. Bei einer Familienstiftung bietet es sich an, diese auf unbestimmte Zeit zu gründen und deren Zweck so festzulegen, dass sie auf die Förderung und Unterstützung der nach der Satzung begünstigten Familienmitglieder ausgerichtet ist. Die begünstigten Familienmitglieder werden als Destinatäre bezeichnet, zu denen auch der ehemalige GmbH-Gesellschafter gehört, sodass dieser indirekt noch an der GmbH beteiligt ist. Das Vermögen der Stiftung besteht aus den Anteilen an der GmbH. Somit stehen der Stiftung sämtliche Gewinne aus der Beteiligung an der GmbH zu. Diese Beträge dienen der Erfüllung des Stiftungszwecks und kommen den Destinatären zugute.
Eine Steuerbefreiung als begünstigtes Betriebsvermögen ist nur möglich, wenn die Beteiligung an der GmbH mehr als 25% beträgt. Unter dieser Voraussetzung wird bis zu einem Wert von 26 Mio. € die Regelverschonung von 85% oder auf Antrag die Optionsverschonung von 100% gewährt. Bei einer Schenkung über 26 Mio. € reduziert sich die Befreiung um einen Prozentpunkt für jeweils 750 T€ und beträgt Null ab einem Wert von 90 Mio. €.
Beispiel: Im Praxisfall (siehe Teil I) hält Herr A exakt 25% und damit eben nicht mehr als 25% an der GmbH, daher wird keine Begünstigung gewährt. Bei Stiftung der 25% wird eine Schenkungsteuer i.H. von 6,7 Mio. € fällig. Diese Steuer lässt sich nicht reduzieren und das Modell der Familienstiftung kommt danach für A de facto nicht in Frage.
Abwandlung der Familienstiftung
Bei dem Unternehmer C, der 50% an der GmbH hält und ebenfalls Kinder hat, hätte der Wert der Stiftung bzw. Schenkung 50 Mio. € betragen. Diese Schenkung mit mehr als 25% wäre begünstigt gewesen. Die Verschonung hätte sich um 32% reduziert, die Regelverschonung hätte damit 53% betragen. Damit wären 47% von 50 Mio. € abzgl. Freibetrag von 0,1 Mio. €, also 23,5 Mio. € steuerpflichtig.
Die Steuerbelastung einer Familienstiftung würde in der Steuerklasse I 6,3 Mio. € betragen. Dieser Betrag ist für die Stiftung als „Beschenkte“ nicht darstellbar. Daher kann in diesen Fällen die sog. Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG interessant werden. Hiernach kann die Familienstiftung einen Antrag auf (Teil-)Erlass der Schenkungsteuer stellen, sofern es sich um begünstigte Vermögen (i.S. der §§ 13a, 13b ErbStG) handelt und die Begleichung der Steuer für die Stiftung eine besondere Härte darstellen würde.
Gemeinnützige Stiftung
Der Vorteil der gemeinnützigen Stiftung liegt darin, dass sie von der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer zu 100% befreit ist. Die Frage der Gemeinnützigkeit einer Stiftung wird durch die Art der Einkommenserzielung und deren Verwendung determiniert. Zu den gemeinnützigen Zwecken zählen z.B. die Förderung von Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Forschung, Naturschutz und Landschaftspflege sowie Kunst und Kultur. Für die Praxis bedeutet dies, dass sich die Gesellschafter überlegen müssen, welchen gemeinnützigen Zweck sie mit ihrer Stiftung verfolgen möchten. Grundsätzlich wird die Versorgung des Stifters und seiner Familie zwar nicht gänzlich ausgeschlossen. Aufgrund der Voraussetzungen kommt die Versorgung in der Praxis aber de facto nicht zum Tragen.
Zusammenfassung
Für Gesellschafter von Kapitalgesellschaften ist eine Wohnsitzverlagerung ins Ausland mit erheblichen steuerlichen Herausforderungen verbunden. Um existenzbedrohende Steuerbelastungen zu vermeiden, sind eine frühzeitige Planung und der Einsatz geeigneter Strategien unerlässlich. Als solche kommen in Betracht:
- ein geschicktes Wohnsitzmanagement,
- die Umwandlung in Personengesellschaften,
- der Aufbau von Holding-Strukturen oder
- die Übertragung auf Stiftungen.