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Steuern
05. Nov. 2025
StBin Sabine Rössler

Gewerbesteuer-Anrechnung: Wem steht die Anrechnung im Erbfall zu?

Erfahrener Berater und junger Kollege im Gespräch

Bei Mitunternehmerschaften mit vom Kalenderjahr abweichendem Wirtschaftsjahr stellt sich im Erbfall die Frage, wem die Anrechnung der Gewerbesteuer nach § 35 EStG zusteht – dem verstorbenen Mitunternehmer oder seinen Erben. Entscheidend ist, auf welchen Zeitpunkt für die Zurechnung des Anrechnungsbetrags abzustellen ist.

Zurechnung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG

Nach § 35 EStG wird bestimmten Mitunternehmern einer Personengesellschaft eine Steuerermäßigung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb gewährt. Die Rechtsprechung des BFH sowie die Finanzverwaltung orientierten sich bisher bei der Zurechnung der Steuerermäßigung an den Verhältnissen am Ende des gewerbesteuerlichen Erhebungszeitraums. Dieser entspricht i.d.R. dem Kalenderjahr. Für Unternehmen mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr war unklar, ob die Zurechnung der Steuerermäßigung nach den Verhältnissen am Ende des Erhebungszeitraums oder des (abweichenden) Wirtschaftsjahrs zu erfolgen hat.

Aktuelle BFH-Entscheidung zur Anwendung in Erbfällen

Mit Urteil vom 10.4.2025 (Az.: IV R 21/22) hat der BFH eine zentrale Klarstellung zur Zurechnung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG bei Einkünften aus Gewerbebetrieb getroffen. Das Urteil gilt insbesondere für Personengesellschaften mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr und betrifft Sachverhalte mit Todesfällen oder Anteilsübertragungen nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs. Für kalenderjahrgleiche Wirtschaftsjahre war die entschiedene Rechtsfrage bereits geklärt. 

Im Streitfall war die Klägerin eine Kommanditgesellschaft (KG) mit abweichendem Wirtschaftsjahr vom 1.7. bis 30.6. des Folgejahres. Der einzige Kommanditist der Gesellschaft verstarb nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs 2017/2018. Im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 35 Abs. 2 EStG führte das Finanzamt die beiden Erben des Kommanditisten als Mitunternehmer auf, da diese nach der Sondererbfolge in das Handelsregister eingetragen worden waren. Aus Sicht der KG sollte die Steuerermäßigung dem verstorbenen Kommanditisten zugerechnet werden, da er die Gewinne des bereits abgelaufenen Wirtschaftsjahrs erzielt hatte.

Der BFH entschied nun eindeutig, dass für die Zurechnung der Steuerermäßigung nicht das Ende des gewerbesteuerlichen Erhebungszeitraums maßgeblich ist, sondern das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs eines gewerblichen Unternehmens, auf dessen Basis der Gewerbeertrag ermittelt wird. Diese Entscheidung trägt der Besonderheit abweichender Wirtschaftsjahre Rechnung und stellt sicher, dass die Steuerermäßigung denjenigen Mitunternehmern gewährt wird, die tatsächlich während des Wirtschaftsjahrs beteiligt waren. Für Unternehmen mit kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr ergibt sich keine Änderung, denn das Ende des Wirtschaftsjahrs und das Ende des Erhebungszeitraums fallen zusammen.

Generell große Bedeutung bei abweichendem Wirtschaftsjahr

Für die Praxis bedeutet dies, dass die Zurechnung der Steuerermäßigung bei abweichendem Wirtschaftsjahr nach dem tatsächlichen Beteiligungsbestand am Ende des Wirtschaftsjahrs erfolgt. Tritt ein Erbfall oder eine Anteilsübertragung nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs ein, beeinflusst dies die Steuerermäßigung für dieses Wirtschaftsjahr nicht. Nur die Mitunternehmer, die zum Zeitpunkt des Wirtschaftsjahrendes beteiligt sind, erhalten die entsprechenden Beträge.

Die Entscheidung hat große Bedeutung für Personengesellschaften mit abweichendem Wirtschaftsjahr. Um eine sachgerechte Zuordnung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG sicherzustellen, empfiehlt es sich, die Gesellschafterlisten und Handelsregistereinträge zu dokumentieren. Bei geplanten Anteilsübertragungen oder Unternehmensnachfolgen ist das Ende des Wirtschaftsjahrs als maßgeblicher Zeitpunkt für die Steuerermäßigung zu beachten.

Hinweis

Die Entscheidung weicht von der bisherigen Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben vom 3.11.2016) ab, wonach der Gewerbesteuer-Messbetrag auf die zum Ende des gewerbesteuerlichen Erhebungszeitraums beteiligten Gesellschafter aufzuteilen ist. Das BMF-Schreiben wird daher anzupassen sein. In der Praxis kann die neue BFH-Rechtsprechung erhebliche Auswirkungen auf Erbfälle bei Mitunternehmerschaften haben, insbesondere wenn die Erben geringere Einkünfte erzielen und die Anrechnung ins Leere läuft. Ein Wahlrecht, wem die Anrechnung zusteht, besteht nicht.