Rechnungslegung & Finanzen
10. Jan. 2025
WP/StB Daniel Scheffbuch, WP/StB André Jänichen

ESG-Reporting: Prozessdokumentation erforderlich

Viele große Unternehmen werden vermutlich erstmals für 2025 einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen haben. Dabei reicht es nicht, den Bericht aufzustellen und Daten zu den Bereichen Environmental, Social und Governance (ESG) offenzulegen. Vielmehr ist der Prozess zur Auswahl der Daten ausführlich und vor allem nachvollziehbar zu dokumentieren. Ob der am 17.12.2024 von der Bundesregierung bei der EU gestellte Antrag hilft, die Verpflichtungen der CSRD abzuschwächen, bleibt abzuwarten.

Antrag auf Verschiebung der Berichtspflichten

In ihrem Antrag appelliert die Bundesregierung, die Nachhaltigkeitsberichtspflicht um zwei Jahre zu verschieben und außerdem die Schwellenwerte für verpflichtete Unternehmen zu erhöhen. Die Rede ist von einer Erhöhung der Umsatz-Grenze bei großen Unternehmen von bisher 50 Mio. € auf 450 Mio. € sowie auf 1.000 Mitarbeiter. Somit würde für viele Unternehmen die Berichtspflicht entfallen.

Aktuell geltende Schwellenwerte

50 Mio €
bisherige Umsatz-Grenze
250
Mitarbeiter:innen

Beantragte Schwellenwerte – Ergebnis offen

450 Mio €
beantragte Umsatz-Grenze
1.000
Mitarbeiter:innen

Allerdings bringt dieses Schreiben – verständlicherweise – eine gewisse Unsicherheit für Unternehmen mit sich, die nach aktuellem Stand von der CSRD verpflichtet wären. Zum Redaktionsschluss lag noch keine Information vor, wie die EU mit diesem Antrag umgehen wird. Mit Stand 10.1.2025 besteht nach wie vor die konkrete Verpflichtung, die CSRD-Richtlinie in einem nationalen Gesetz umzusetzen. Dies hätte eigentlich schon bis spätestens 6.7.2024 erfolgen müssen – und die EU-Kommission hatte daher bereits am 26.9.2024 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen nicht fristgerechter Umsetzung eingeleitet. 16 EU-Mitgliedstaaten haben die Richtlinie bereits umgesetzt (vgl. Richtlinie - 2022/2464 - EN - EUR-Lex).

Empfehlung

Der bereits begonnene Prozess des Nachhaltigkeitsberichterstattung sollte fortgeführt werden. Es sollte vermieden werden, die begonnenen Arbeiten über einen längeren Zeitraum einzustellen, um im Falle der geplanten Umsetzung der CSRD keine Zeit verloren zu haben. Für die laufenden Geschäftsjahre 2025 könnte eine rückwirkende Anwendung der CSRD rechtlich zulässig sein. Für dem Grunde nach berichtspflichtige Unternehmen, die ohnehin erst für das Geschäftsjahr 2025 berichten müssten, würde demnach eine verzögerte Umsetzung keine größere Rolle spielen. Infolge der bereits bestehenden und unmittelbar gültigen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sind auch bei einer verzögerten Umsetzung keine wesentlichen Änderungen an den erforderlichen Berichtsinhalten zu erwarten.

Prozessdokumentation als Gegenstand der Prüfung

Inwieweit der Prozess zum Aufbau des unternehmensindividuellen ESG-Reporting bereits bekannt ist, lässt sich auch am Kenntnisstand der folgenden 15 (!) Fachbegriffe und Abkürzungen erkennen: IRO, DR, NFRD, AMB, EMT, SBM, DNSH, MDR, SFDR, DP, EFRAG, ESRS, CSRD, Doppelte Wesentlichkeitsanalyse, Scope-3-Emissionen. Und damit nicht genug: Denn ein Nachhaltigkeitsbericht als Teil des Lageberichts und Gegenstand der Jahresabschlussprüfung setzt nicht nur die Kenntnis dieses Fachvokabulars voraus – sondern auch das Durchlaufen eines Prozesses, der i.d.R. drei bis sechs Monate dauert und entsprechend umfangreich (revisionssicher) zu dokumentieren ist.

Ferner kommt hinzu, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung 2025 von großen Kapitalgesellschaften im Jahr 2026 Gegenstand der Abschlussprüfung sein wird. Der Wirtschaftsprüfer hat bezüglich des (Konzern-) Jahresabschlusses und des (Konzern-) Lageberichts weiterhin eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit (reasonable assurance) durchzuführen. Bezüglich der Nachhaltigkeitsberichterstattung hat sie mit begrenzter Sicherheit (limited assurance) zu erfolgen, auch wenn diese Teil des Lageberichts sein wird. Das bedeutet insbesondere, dass der Wirtschaftsprüfer prüfen wird, ob der Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung anforderungsgerecht dokumentiert ist. Abstriche im Vergleich zu einer Prüfung mit hinreichender Sicherheit wird es geben, u.a. insoweit, dass nicht jede Emissions-Kennzahl hinsichtlich ihrer Ausprägung zu prüfen ist. Sondern es wird geprüft werden, wie der Prozess darüber gestaltet wurde, dass am Ende über eben diese Kennzahl und nicht eine andere berichtet wird.

Hinweis

Fehlt eine solche Prozessdokumentation, kann dies mit Auswirkungen auf den entsprechen Prüfvermerk bzw. Bestätigungsvermerk verbunden sein.

Umfang der Dokumentation

Die Dokumentationspflicht im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist ein zentraler Bestandteil des Berichtserstellungsprozesses und dient dazu, alle relevanten Daten und Informationen strukturiert, nachvollziehbar und überprüfbar zu erfassen. Nachfolgend wird ein Überblick über die fünf wesentlichen Aspekte und die damit verbundenen Anforderungen an die Dokumentation des Berichtserstellungsprozesses gegeben:

1. Verständnis der Unternehmensaktivitäten 
Zu vermitteln ist ein Überblick über die Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen des Unternehmens. Dies ist mit einer Darstellung der strategischen Ausrichtung und konkreten Zielvorgaben (z.B. Emissionsreduktionsziele) sowie der Aufschlüsselung der betroffenen Interessengruppen (Stakeholder) zu verbinden. 

2. Identifikation der tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen, Risiken und Chancen
Dies umfasst die Dokumentation über die Risiko- und Chancenanalyse in den Bereichen ESG (outsight-in-Perspektive) ebenso wie die Beschreibung der (potenziell) positiven sowie negativen Auswirkungen der Gesellschaft (insight-out-Perspektive). 

3. Bewertung und Feststellung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen 
Hier ist das Erstellen einer Prozessdokumentation einzuordnen, die die Analyse der wesentlichen Themen, die Stakeholder-Befragungen und die Bewertungsmethoden umfasst.

4. Berichterstattung - Narrativ
Damit ist die Erstellung des Gerüsts eines umfassenden Berichts angesprochen, der alle wesentlichen Aspekte abdeckt und den ESRS-Standards entspricht. Dabei sind neben den obigen Dokumentationspflichten auch Angaben über Verfahren zur Datenerhebung und Datenquellen sowie Nachweise über die durchgeführten internen Kontrollen und die angewendeten Qualitätssicherungsmaßnahmen zu berücksichtigen. 

5. Berichterstattung - Quantitativ 
Das unter (4) erstellte Gerüst ist mit der Erhebung der Daten zu den ausgewählten Punkten auszufüllen.

Fazit

Die sorgfältige Erfassung, Bewertung und Berichterstattung von Nachhaltigkeitsdaten ist entscheidend, um den Anforderungen der ESG-Reporting-Standards gerecht zu werden. Die Dokumentationspflicht erfordert von Unternehmen, jeden Schritt des Prozesses sorgfältig festzuhalten und nachvollziehbar zu gestalten. Ziel ist, die Informationen für Stakeholder transparent zu gestalten und dabei den Vorgaben der Wirtschaftsprüfer für eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit zu entsprechen. 

Hinweis

Auch die Erfüllung der Anforderungen an die EU-Taxonomie-Verordnung als integraler Bestandteil der Nachhaltigkeitsberichterstattung wird im Rahmen einer prozessualen Prüfung zu verfolgen sein.