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Rechnungslegung & Finanzen
02. Juni 2025
WP/StB Daniel Scheffbuch / Dobrica Drvoshanova

Nutzung von KI in der Nachhaltigkeitsberichterstattung – Teil 2: Anwendungstools

Hände am Laptop mit Grafik KI Tools

Auch wenn die Vorgaben im Zuge entsprechender EU-Bestrebungen (Stichwort Omnibus-VO) deutlich reduziert werden, wird von vielen Unternehmen eine Nachhaltigkeitsberichterstattung erwartet. Im ersten Teil haben wir im letzten Monat systematisch durch die Prozessschritte der Berichterstellung geführt. In dieser Ausgabe stellen wir dar, wie KI-Anwendungen in einzelnen Prozessschritten unterstützen können. Dabei werden exemplarisch konkrete KI-Tools präsentiert.

1. KI-Tools für die Wesentlichkeitsanalyse

Erstellung einer IRO-Longlist

Hierbei kann ChatGPT als erster Schritt in der Wesentlichkeitsanalyse dienen, indem es eine Longlist relevanter Nachhaltigkeitsaspekte (IROs) erstellt. Durch eine präzise Aufgabenstellung an die KI lassen sich branchenspezifische Nachhaltigkeitsthemen identifizieren. Basierend auf den vom Nutzer bereitgestellten Informationen zur Branche, zu Stakeholdern und zum Geschäftsmodell können Nachhaltigkeitsaspekte hinsichtlich finanzieller Risiken und Chancen sowie Auswirkungen auf Mensch und Umwelt bewertet werden. Diese Methode bietet einen Einstieg in die Wesentlichkeitsanalyse und liefert eine umfassende Longlist, die als Grundlage für die weitere Analyse dient.

Klimaszenarioanalyse

Dabei sollen die potenziellen Auswirkungen des Klimawandels auf das Geschäft transparent werden, um diese dann zu bewerten. Mithilfe von Datenmodellierung, maschinellem Lernen und Klimawissenschaft liefert z.B. das Tool von EarthScan eine Analyse der Klimarisiken, die Geschäftsvermögenswerte bedrohen. Das Tool berücksichtigt verschiedene Zeithorizonte und Szenarien und generiert Berichte, die den Offenlegungsanforderungen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) entsprechen.

Gesamtlösungen zur Durchführung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse

Neben spezialisierten Tools für einzelne Aspekte der Wesentlichkeitsanalyse gibt es auch umfassende Lösungen, die den gesamten Prozess der doppelten Wesentlichkeitsanalyse abdecken. Tools wie der Double Materiality Assessment (DMA) Generator von denxpert oder der Materiality Master, der vom gleichnamigen Anbieter angeboten wird, unterstützen Unternehmen bei der Durchführung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse. Beim DMA-Generator gibt der Nutzer zunächst den Namen und den Hauptstandort des Unternehmens ein. Die KI bewertet dann die Nachhaltigkeitsauswirkungen, Risiken und Chancen (IROs) des Unternehmens basierend auf öffentlich verfügbaren Daten und Open-Source-Forschungsdatenbanken. Nach Angaben von denxpert werden dabei die Anforderungen der ESRS und den EFRAG-Leitlinien zur Wesentlichkeitsanalyse beachtet. Abschließend wird ein umfassender DMA-Bericht generiert und mit Vorschlägen für IROs per E-Mail versendet.

2. KI-Tools für die Datenerhebung und -auswertung

Funktionalitäten

Die meisten KI-Tools zur Datenerhebung und -auswertung im ESG-Bereich bieten eine Reihe grundlegender Funktionen, die Unternehmen bei der Analyse und Berichterstattung von ESG-Daten unterstützen. Diese Tools sammeln automatisch ESG-relevante Daten aus verschiedenen Quellen, analysieren und kategorisieren sie. Dabei werden Muster, Anomalien und Fehler erkannt. Zudem ordnen die Systeme automatisch die richtigen Emissionsfaktoren zu, um CO2-Emissionen zu berechnen. Die Ergebnisse werden in übersichtlichen Dashboards, Grafiken und Berichten dargestellt, was Unternehmen hilft, Trends und Risiken zu identifizieren und standardkonforme ESG-Berichte zu erstellen.

Beispiele

KEY ESG verbindet sich mit den Systemen eines Unternehmens, um ESG-relevante Daten aus verschiedenen Bereichen wie Finanzen, Lieferketten und Umwelt zu sammeln und zu überprüfen. Das Tool nutzt KI zur Datenverifizierung und stellt sicher, dass die Berechnungen präzise sind. Die Kohlenstoffbilanzierung erfolgt nach globalen Standards wie dem GHG-Protokoll und der IEA, wobei automatisierte Berechnungen für Scope 1-, Scope 2- und Scope 3-Emissionen bereitgestellt werden. Zusätzlich unterstützt KEY ESG bei der Erstellung von Berichten, die den aktuellen regulatorischen Anforderungen entsprechen und sich fortlaufend an neue Standards wie die CSRD anpassen.

Briink kann mittlere und kleinere Unternehmen unterstützen, die für Kunden oder Lieferanten  umfangreiche ESG-Fragebögen ausfüllen müssen. Briink nutzt KI, um ESG-Fragebögen automatisch zu bearbeiten, indem es relevante Informationen und Kennzahlen aus bereits vorhandenen Unternehmensdokumenten – wie Richtlinien, Jahresabschlüssen oder anderen internen Unterlagen – extrahiert. Die KI ist speziell auf ESG-Themen trainiert.

3. KI-Tools für die Berichterstellung

Ein Beispiel hierfür ist das Softwareunternehmen Code Gaia, dessen Software KI nutzt, um die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten zu unterstützen. Der Nutzer kann optional ein Dokument – wie z.B. eine Unternehmensrichtlinie – hochladen oder Kontextinformationen in Form von Stichpunkten oder Notizen eingeben, die dann analysiert werden. Auf der Basis der analysierten Informationen und der Anforderungen der ESRS (European Sustainability Reporting Standards) erstellt die KI einen ersten Textentwurf für die geforderte Offenlegung. Die KI hilft dabei, klare und gut strukturierte Sätze zu formulieren und unterstützt den Nutzer bei der Anpassung und Prüfung des generierten Textes, um sicherzustellen, dass dieser korrekt, unternehmensspezifisch und ESRS-konform ist.

Auch ChatGPT kann hier eingesetzt werden, um komplexe Daten in verständliche und zielgruppenorientierte Texte zu übersetzen. Es generiert Textentwürfe, optimiert die Formulierung und stellt sicher, dass relevante Kennzahlen klar und prägnant präsentiert werden. Zudem unterstützt ChatGPT bei der Strukturierung des Berichts und liefert beispielsweise Inhaltsverzeichnisse oder Vorschläge für die Gliederung einzelner Kapitel.

4. Grenzen der KI in der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Kontrolle und Überprüfung

Obwohl KI-Modelle Muster erkennen und Inhalte formulieren können, fehlt ihnen ein tiefgehendes Verständnis für den Kontext. Ohne relevante Eingabedaten kann es zudem vorkommen, dass die KI plausible, aber falsche Informationen erzeugt.

Regulatorische Herausforderungen und rechtliche Risiken

Die Vorgaben an die Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen einem stetigen Wandel. Veraltete oder fehlerhafte Daten können nicht nur zu fehlerhaften Analysen, sondern auch zu regulatorischen Verstößen führen. Daher müssen Unternehmen sicherstellen, dass eingesetzte KI-Systeme regelmäßig aktualisiert werden und den aktuellen Standards entsprechen.

Grenzen der qualitativen Analyse

KI-Modelle sind besonders leistungsfähig bei der Verarbeitung strukturierter, quantitativer Daten. Sie stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn es um die Interpretation qualitativer oder kontextbezogener Informationen geht. Themen, die eine tiefere inhaltliche Auseinandersetzung oder menschliches Urteilsvermögen erfordern, können daher nicht vollständig automatisiert analysiert werden.

Qualität der zugrunde liegenden Daten

Die Daten und deren Qualität sind der entscheidende Faktor für präzise und verlässliche Analysen. Besonders herausfordernd sind komplexe Berichtsanforderungen wie Scope-3-Emissionen, die auf externe Datenquellen angewiesen sind. Daher ist es essenziell, robuste Datenmanagement-Prozesse zu etablieren und sicherzustellen, dass alle relevanten Akteure – sowohl intern als auch extern – zuverlässige und aktuelle Informationen bereitstellen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Integration von KI in die ESG-Berichterstattung ermöglicht es Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung effizienter zu erledigen. Dabei können die KI-Tools nur unterstützen. Derzeit gibt es noch keine gesamthaft anwendbaren Universal-Tools, die quasi auf Knopfdruck auf extern verfügbare Daten und interne Informationen zugreifen können, um daraus eine Nachhaltigkeitsberichterstattung zu generieren – insbesondere, weil die Änderung der rechtlichen Vorgaben und tatsächlichen Gegebenheiten immer noch schneller ist als die KI.