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Recht
02. Juni 2025

Berliner Testament: Hausbau-Unterstützung als Auslösung der Pflichtteilsstrafklausel?

Beim sog. Berliner Testament setzen sich Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein. Wenn eine Pflichtteilsstrafklausel vereinbart ist und ein Kind schon im ersten Erbfall seinen Pflichtteil geltend macht, verliert es nach dieser Regelung sein Erbrecht nach dem Tod des Längerlebenden. In einem aktuellen Urteil war fraglich, ob eine Zahlung an einen der Schlusserben als Zahlung eines eingeforderten Pflichtteils zu werten ist.

Das OLG Braunschweig hat in seinem Beschluss vom 13.2.2025 (Az.: 10 W 11/25) über Eheleute entschieden, die sich in einem sog. Berliner Testament im Jahr 1971 gegenseitig zu Erben und ihre Kinder T und S zu Schlusserben einsetzten. Das Testament enthielt eine sog. Pflichtteilsstrafklausel: Wenn ein Kind im ersten Erbfall seinen Pflichtteil geltend macht, verliert es nach dieser Regelung sein Erbrecht nach dem Tod des Längerlebenden. Das bedeutet, dass das Kind im zweiten Erbfall höchstens noch seinen Pflichtteil und nicht mehr seinen gesetzlichen Erbteil erhält. 

Bitte um Unterstützung …

Nach dem Tod des Vaters schlossen die überlebende Ehefrau (E) und ihre beiden Kinder eine privatschriftliche Vereinbarung. Danach erhielt die Tochter T zur Unterstützung beim Hausbau 110.000 DM von ihrer Mutter. Gleichzeitig erklärte T, dass mit dieser Zahlung sämtliche Ansprüche aus dem Nachlass des Vaters abgegolten seien. Einige Jahre später errichtete E ein handschriftliches Testament, in dem sie auf die Vereinbarung Bezug nahm. Sie stellte fest, dass T durch die erhaltene Zuwendung bereits mehr als S erhalten habe, weshalb S nach ihrem Tod ein bestimmtes Hausgrundstück vorab erhalten solle; das restliche Vermögen solle zu gleichen Teilen an beide Kinder gehen. Nach dem Tod der Mutter beantragte der Sohn S einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist. Zur Begründung führte er an, T habe mit der erhaltenen Zahlung ihren Pflichtteil nach dem Vater geltend gemacht und sei daher gemäß Pflichtteilsstrafklausel von der Erbfolge nach der Mutter ausgeschlossen.

… keine Einforderung des Pflichtteils

Das OLG Braunschweig folgte dieser Argumentation nicht. In seinem Beschluss stellte es klar, dass durch die zwischen Mutter und Tochter geschlossene Vereinbarung keine Pflichtteilsstrafklausel ausgelöst wurde. Grundsätzlich setzt die Sanktionierung durch eine Pflichtteilsstrafklausel voraus, dass der Schlusserbe in objektiver Hinsicht den Pflichtteil ausdrücklich und ernsthaft fordert und dabei subjektiv in Kenntnis der Klausel handelt. 

Vorliegend sah das Gericht in der Zahlung der 110.000 DM keine solche Geltendmachung. Die Initiative sei von T ausgegangen, jedoch lediglich als Bitte um Unterstützung beim Hausbau. Die Zuwendung sei freiwillig erfolgt und nicht unter dem Druck einer Pflichtteilsforderung. T sei gegenüber ihrer Mutter nicht als Pflichtteilsberechtigte aufgetreten. Auch die mit Pflichtteilsstrafklauseln typischerweise verbundenen Schutzmechanismen (Erhalt des Nachlasses für den überlebenden Ehegatten, Schutz vor familiären Belastungen und Sicherstellung der Verteilungsgerechtigkeit im Schlusserbfall) seien – mit Ausnahme des letzteren Aspekts – nicht beeinträchtigt worden. Die Erblasserin sei durch die Zahlung nicht in besonderer Weise wirtschaftlich belastet worden. Sollte eine Störung der Verteilungsgerechtigkeit eingetreten sein, sei dies nicht auf illoyales Verhalten von T zurückzuführen, sondern möglicherweise auf eine unklare Vereinbarungslage.

Änderung nur mit Öffnungsklausel

Die Erbfolge richtet sich daher nach dem ursprünglichen notariellen Ehegattentestament. Bei gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten, in denen sich die Ehepartner gegenseitig als Erben einsetzen und ihre Kinder als Schlusserben bestimmen, entfaltet das Testament nach dem Tod des Erstverstorbenen eine Bindungswirkung zugunsten der eingesetzten Schlusserben. Eine Änderung durch den überlebenden Ehegatten ist nur möglich, wenn eine sog. Öffnungsklausel vorgesehen wurde. Diese kann – je nach Gestaltung – auf bestimmte Umstände oder Personen (z.B. bestimmte Kinder) beschränkt sein. Fehlt eine solche Öffnungsklausel und soll dennoch eine Änderung erfolgen, ist dies nur durch Abschluss eines notariellen Zuwendungsverzichtsvertrags möglich. Die Schlusserben verzichten darin auf ihre durch den Erstversterbensfall entstandene Bindungsstellung. 

Hinweis

Die Testierfreiheit des überlebenden Ehegatten wird dadurch wiederhergestellt. In der Praxis wird ein solcher Verzicht regelmäßig mit einem Erbvertrag kombiniert.