Rechnungslegung & Finanzen
01. Okt. 2024
StB Sabine Rössler

Neuregelung bei der Lageberichterstattung: Angabepflichten zu immateriellen Ressourcen

Im Rahmen der Umsetzung der CSRD-Richtlinie im HGB wird mit den Angabepflichten zu immateriellen Ressourcen ab dem Geschäftsjahr 2024 eine Vorgabe in den Lagebericht aufgenommen, die weit über Nachhaltigkeitsaspekte hinausgeht. Der § 289 Abs. 3a HGB ist bei vielen Unternehmen noch gar nicht auf dem Radar, weil die meisten Unternehmen über Nachhaltigkeit erst ab dem Geschäftsjahr 2025 berichten müssen.

Neuregelung des § 289 Abs. 3a HGB

Bis zum 6.7.2024 war die CSRD (die Richtlinie 2022/2464 der EU zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in den Mitgliedstaaten der EU) in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung folgt dieser Verpflichtung mit dem Gesetzentwurf vom 16.8.2024, BT-Drucks. 385/24. Bei der Weiterleitung in das Gesetzgebungsverfahren wurde die besondere Eilbedürftigkeit betont, weil die EU-Umsetzungsfrist endete und daher die parlamentarischen Beratungen zügig abgeschlossen werden sollen (zwischenzeitlich fand am 26.9.2024 die erste Beratung im Bundestag statt).

Enthalten ist in einem neu einzuführenden § 289 Abs. 3a HGB die Pflicht, dass im Lagebericht die wichtigsten immateriellen Ressourcen anzugeben sind. Die Norm fordert nicht, dass diese immateriellen Ressourcen einen Bezug zu Nachhaltigkeitsaspekten haben.

Anwendungsbereich

Nach dem neuen § 289 Abs. 3a HGB sind in den Lagebericht von großen sowie kapitalmarktorientierten Unternehmen Angaben über immaterielle Ressourcen ohne physische Substanz aufzunehmen. Anzugeben sind beginnend für das Geschäftsjahr 2024 solche immateriellen Ressourcen, die für das Geschäftsmodell des Unternehmens bedeutsam sind und eine Wertschöpfungsquelle darstellen. Zweck der neuen Berichtsvorgabe nach der CSRD (= Corporate Sustainability Reporting Directive) ist es, nicht-physische Werttreiber eines Unternehmens darzulegen, die zu Unterschieden zwischen dem Marktwert eines Unternehmens und seinem Buchwert führen. Viele immateriellen Ressourcen haben einen Nachhaltigkeitsbezug, weshalb die Berichtspflicht auch Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist.

Berichterstattung über immaterielle Ressourcen 

Immaterielle Ressourcen (wie beispielsweise geistiges Eigentum, Patente oder Lizenzen) gewinnen im Kontext der Unternehmensberichterstattung immer mehr an Bedeutung. Weiterhin können darunter Angaben zu subsumieren sein über

  • die Fähigkeiten oder Erfahrungen von Arbeitnehmern,
  • die Haltung gegenüber der Gesellschaft,
  • die Motivation zur Verbesserung von Prozessen oder aber Angaben über
  • die Qualität der Beziehungen zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Interessenträgern einschließlich Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern, die von der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft betroffen sind.

Derzeit gibt es weder von der EU-Kommission noch vom deutschen Gesetzgeber konkrete Vorgaben. Zur inhaltlichen Ausgestaltung kann jedoch auf wissenschaftlich entwickelte Kategoriensysteme zurückgegriffen werden.

Vorschläge und Initiativen 

Der "Value-Reporting"-Ansatz zielt darauf ab, die Diskrepanz zwischen Buchwert und Marktwert durch ergänzende Informationen zu verringern. Zudem existieren spezifische Vorschläge wie das "Intellectual Capital Statement" des Arbeitskreises Immaterielle Werte im Rechnungswesen (AKIWIR), das eine freiwillige Berichterstattung über immaterielle Werte vorsieht. Dieser AK hat die in Tab. 1 gezeigten Kategorien und Beispiele erarbeitet. Der International Integrated Reporting Council (IIRC) unterscheidet wie in Tab. 2 dargestellt zwischen Angaben zu drei Kategorien.

Kategorien und Berichtsinhalte gemäß AKIWIR


Human Capital

Ausbildungsgrad der Mitarbeiter / Know-how der Mitarbeiter / Erfahrung der Mitarbeiter / Führungsqualität / Funktionsfähige unternehmensinterne „Knowledge“-Datenbank / Betriebsklima


Customer Capital

Kundenlisten / Marktanteile / Kundenzufriedenheit / Marken / Langfristige Abnahmeverträge


Supplier Capital

Günstige Verträge (z.B. über Bezug von knappen Rohstoffen) / Entwicklung kooperativer Strategien mit Lieferanten


Investor Capital

Günstige Kapitalbeschaffungskonditionen aufgrund eines guten Kreditratings / 

Hohe Reputation (Marke) am Kapitalmarkt aufgrund guter Investor- Relations-Aktivitäten / 

Geringe Kapitalkosten aufgrund einer transparenten und zuverlässigen Finanzmarktkommunikation


Innovation Capital

Neue Software / Patente / Wirkstoffe, Substanzen / Filme / Rezepturen


Process Capital

Funktionierendes Vertriebsnetz / Gutes Kommunikationsnetzwerk / Effektives Qualitätsmanagementsystem


Location Capital

Gute Verkehrsinfrastruktur für Mitarbeiter und Waren / Lokale Steuervorteile / Hohe soziale Sicherheitsstandards / Hoher Ausbildungsgrad


Kategorien und Berichtsinhalte gem. IIRC


Human Capital

Bereitschaft zur Befolgung und Unterstützung des Führungsrahmens, des Risikomanagementansatzes und der ethischen Werte /

Fähigkeit der Mitarbeiter, die Unternehmensstrategie zu verstehen, zu entwickeln und umzusetzen / 

Loyalität und Motivation der Mitarbeitenden, Prozesse, Produkte und Dienstleistungen zu verbessern, einschl. der Fähigkeiten zu führen, zu managen und zusammenzuarbeiten


Social and Relationship Capital

Geteilte Normen, gemeinsame Werte und gemeinsames Verhalten / 

Wichtige Beziehungen zu Stakeholdern und das Vertrauen sowie das Engagement (Bereitschaft, die ein Unternehmen entwickelt hat und die es bei externen Interessengruppen zu schützen bestrebt ist) / 

Immaterielle Werte im Zusammenhang mit Marken und Reputation, die ein Unternehmen entwickelt hat / 

Gesellschaftliche Betriebslizenz eines Unternehmens


Intellectual Capital

Geistiges Eigentum wie Patente, Urheberrechte, Software, sonstige Rechte und Lizenzen / 

Organisationskapital wie Wissensvorsprung, Systeme, Verfahren und Protokolle


Geschäftsmodell und Wertschöpfung 

Nach den hier heranziehbaren European Sustainability Reporting Standards (ESRS) beschreibt das Geschäftsmodell das System bzw. die Fähigkeiten eines Unternehmens, Inputs (z.B. immaterielle Ressourcen) durch unternehmerische Aktivitäten in Outputs und Outcomes zu transformieren, um die Unternehmensziele zu erreichen und Werte zu schaffen.

Eine immaterielle Ressource stellt i.d.R. eine Wertschöpfungsquelle für das Unternehmen, die Gesellschafter oder weitere Interessengruppen dar. Auch dieser Begriff wird durch Rückgriff auf verschiedene Berichtskonzepte (beispielsweise des IIRC) konkretisiert werden.

Ausblick

Insgesamt zeigt sich, dass die Berichterstattung über immaterielle Ressourcen einem fortlaufenden Wandel unterliegt, der durch gesetzliche Vorgaben und freiwillige Initiativen geprägt ist. Sie stellen u.a. starke Treiber für nachhaltiges Wirtschaften dar. Mit dem Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes zur CSRD werden Unternehmen nun verpflichtet, ihre Berichterstattung über immaterielle Ressourcen erheblich zu erweitern. Die allgemein gehaltenen Richtlinien erfordern noch spezifische Konkretisierungen für Ersteller und Prüfer.