Rechnungslegung & Finanzen
01. Okt. 2024
Florian Buschbacher

Neue Plattformökonomie – Chancen für Mittelständler auf Plattformen im digitalen Ökosystem 

Die Plattformökonomie ist ein wesentlicher Treiber der Digitalisierung, dessen Marktmacht inzwischen auf viele Branchen Auswirkungen hat. Im Folgenden soll geklärt werden, was unter der Plattformökonomie zu verstehen ist und welche Chancen sich für traditionell aufgestellte Unternehmen ergeben.

Kennzeichnung von Plattformen

Plattformen zeichnen sich dadurch aus, dass es einen Betreiber der Plattform (Web/App/kombiniert) gibt, der diesen Service für mindestens zwei Parteien bereitstellt. Zu den großen Plattformen gehören: Google, Amazon, Facebook und Alibaba (GAFA). Auch in Deutschland gibt es mit ImmobilienScout24, Check24 oder jungen Start Ups wie Holidu, Mycabin oder Comii inzwischen viele Plattformen in unterschiedlichen Branchen und in diesem fortschreitenden Prozess kommen beinahe täglich viele kleinere hinzu.

Diese Plattformen übernehmen eine Vermittlerrolle zwischen Angebot und Nachfrage und werden für bestimmte Branchen und Unternehmen zu einer Art „Gate Keeper“. Die Einfachheit der Nutzung und die oftmals große Auswahl machen diese Plattformen zum wichtigsten Vertriebskanal der angebotenen Dienstleistung.

Anwendungsalternativen in der Praxis 

Unternehmen können bereits bestehende Plattformen nutzen. Andererseits sollten sie sich Gedanken machen, ob und inwieweit eine (zukünftige) Plattform kurz- und langfristig Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell haben kann. 


Beispiel

AirBnB besitzt kein Hotel und hat damit kein „gebundenes Kapital“. Die Angebotsauswahl ist dennoch größer als bei den größten Hotelketten der Welt zusammen. Der Unternehmenswert ist trotz fehlender eigener Kapazitäten im Vergleich zu traditionellen Marktteilnehmern extrem hoch.


In der Praxis wird es oft schwierig sein, zu beurteilen, ob und inwiefern eine Plattform von Vorteil sein kann. Daher ist es ratsam, die Sicht auf den Markt im Hinblick auf die eigenen Dienstleistungen, den Service oder die Produkte zu wechseln. Im Rahmen einer Plattformstrategie agiert man infolgedessen nicht mehr als Produzent, Logistikdienstleister, Servicedienstleister oder Vertriebspartner. Vielmehr tritt man in die Rolle des „Marktgestalters“, indem zukünftige Regeln definiert werden, die sich an den optimalen Zuständen und an den Bedürfnissen der Marktakteure orientieren.

Wesentliche Vorteile des Agierens als Plattformbetreiber

Mit der „Organisation“ eines Markts im bisherigen traditionellen Geschäftsmodell kann der Markt insgesamt selbst mitgestaltet werden. Dies erfordert es, neben den Marktteilnehmern und den auf der Plattform neu ermöglichten Themen das bisherige Produkt (bzw. den Service und die Dienstleistungen) mit einzubinden. Primäres Ziel ist es, dass sich die eigenen Kunden und Lieferanten der Plattform anschließen. Ein weiteres Ziel muss sein, die bisherige Marge über eine Plattformstrategie und dessen Angebot zu kompensieren bzw. zu erhöhen.

So kann z.B. ein Einzelunternehmen die eigenen Produkte auf Marktplätzen wie E-Bay oder Amazon verkaufen. Allerdings werden diese Anbieter oft in der „großen Welt“ insbesondere von Amazon übersehen. Es gilt also, neben dem Amazon-Auftritt auch einen eigenen Web-Shop zu erstellen, um die direkten Kundenbeziehungen nicht zu verlieren. Ein solcher eigener Web-Shop ist jedoch noch keine Plattform, sondern nur eine Vorstufe. Eine lukrativere Möglichkeit könnte darin bestehen, eine „Regional-Plattform“ zu entwickeln, auf der kleine, lokal tätige Anbieter auf ihre Kunden in der Umgebung treffen. 

Empfehlung 

Diese Plattformstrategie kann langfristig von höherem Nutzen sein, da der Plattformbetreiber viel stärker regional vernetzt ist, schneller auf Kundenwünsche eingehen und ergänzenden Service (Lieferung, Individualität, z.B. bei Geschenken) anbieten kann.

Zum einen erhält man über eine Plattform viel mehr Marktwissen, z.B. über die Vernetzungswege oder Preise. Daten sind auch hier die Grundlage weiterer tiefer Analysen mittels KI hin zu Warenkorbanalysen sowie Bestellzeitpunkt-  und Liefersituationsuntersuchungen usw. Zum anderen kann man mit einer Plattform auf einem bestimmten (Nischen-)Markt die Regeln mitbestimmen. Außerdem wird das bisherige Geschäftsmodell durch den Informationsvorsprung optimiert und kann an neue Gegebenheiten schneller und besser angepasst werden als seitens der Konkurrenz.

Nutzen für die Marktakteure 

Fast jeder Marktakteur sucht nach neuen Vertriebswegen, Kunden, Lieferanten und Produkten. Eine Plattform bietet dabei einen einfachen Zugang zu neuen Beziehungen. Eine Einarbeitung in die Technik ist nicht bzw. nur in geringem Umfang notwendig, da die Plattform „einfach“ nutzbar sein sollte und die Kosten über neue Kunden, Lieferanten und Produkte/Services sowie die erhobenen Transaktionskosten amortisiert werden, die der Plattformbetreiber in Rechnung stellt.

Hinweis 

Je geringer die Transaktionskosten sind und je offener die Plattform gestaltet ist, desto höher ist das Potential der Marktakteure, die sich der Plattform anschließen können.

Erweiterung von Plattformen zum digitalen Ökosystem 

Die Entwicklung von Plattformen setzt sich fort. So haben bereits viele – insbesondere jüngere erfolgreiche Start-Ups – bemerkt, dass bestehende Plattformen sich öffnen können und müssen. Als Öffnung bezeichnet man Schnittstellen (technisch API) zur Plattform für Dienstleistungen. So erlauben es viele Plattformen inzwischen, ergänzende Produkte und Services an die jeweiligen Plattformen anzubinden. Diese Dienstleistungen bereichern den Mehrwehrt und Nutzen der Plattform für andere Teilnehmer; es handelt sich oft um Automatisierungslösungen zur Pflege und Einbindung von Produkten der Marktteilnehmer in die Plattform. Die Plattform wiederum wird auf diese Weise weiterentwickelt.


Beispiel

Hierzu lässt sich als Beispiel eine Lösung für ein Immobilienportal nennen, in dem es einem gewerblichen Vermieter möglich ist, über ein Zusatzprodukt schneller einzelne Immobilien in das Portal hochzuladen. Dies erfolgt über den Einsatz von KI zur Generierung von Texten des Inserats.


Inzwischen gibt es Plattformen, auf denen hunderte solcher „Add Ons“ über Partnerunternehmen der Plattform bereitgestellt werden und so eine noch größere Markteintrittsbarriere für nicht beteiligte Konkurrenten aufbauen.

Fazit

Die Plattformökonomie und die erweiterten digitalen Ökosysteme sind aktuell in vielen Branchen im Entstehen. Wenn der Markt – ggf. in der eigenen Nische – zukünftig mitgestaltet und das eigene Geschäftsmodell geschützt werden soll, so macht es Sinn, sich die zukünftigen Szenarien auszuarbeiten und modellgestützt eine Entscheidungsgrundlage für das eigene Unternehmen auszuarbeiten, ob und ggf. wie sich eine Plattformstrategie lohnt.