Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen: Neues BMF-Schreiben
Im Jahr 2022 hat der BFH ein vielbeachtetes Urteil zur inkongruenten Gewinnausschüttung gesprochen, das von der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung abweicht und daher nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde. Nach fast zwei Jahren hat das BMF nun aber dieses Urteil anerkannt.
Hintergrund: Änderungen im Vergleich
zum bisherigen BMF-Schreiben
Eine inkongruente Gewinnausschüttung liegt grundsätzlich vor, wenn Gewinne nicht entsprechend den Beteiligungsverhältnissen der Gesellschafter verteilt werden, sondern abweichend davon nach anderen Kriterien. Der BFH hatte am 28.9.2022 (Az.: VIII R 20/20) entschieden, dass ein einstimmig gefasster Gesellschafterbeschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung einer GmbH, der nicht angefochten wird, zivilrechtlich wirksam ist und somit der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann. Damit stellte der BFH die bisherige Auffassung des BMF aus dem Schreiben vom 17.12.2013 in Frage. Dort wurde festgelegt, dass eine inkongruente Gewinnausschüttung nur dann steuerlich anerkannt wird, wenn im Gesellschaftsvertrag gem. § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ein anderer Verteilungsschlüssel festgelegt wurde oder eine satzungsgemäße Klausel besteht, die einstimmige Abweichungen zulässt.
Infolge dieser Rechtsprechung hat das BMF nun sein Schreiben zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen überarbeitet und mit Datum vom 4.9.2024 eine aktualisierte Fassung veröffentlicht. Das BMF folgt jetzt der BFH-Auffassung, dass inkongruente Gewinnausschüttungen, die zivilrechtlich wirksam beschlossen wurden, steuerrechtlich anzuerkennen sind.
Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung
Für eine steuerliche Anerkennung gibt es verschiedene zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, die auch rechtsformabhängig sind.
GmbH
Abweichender Verteilungsschlüssel im Gesellschaftsvertrag: Der Gesellschaftsvertrag kann gem. § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG eine andere Gewinnverteilung festlegen als das Verhältnis der Geschäftsanteile. In diesem Fall ist die Ausschüttung zivilrechtlich wirksam und steuerlich anzuerkennen.
Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag: Der Gesellschaftsvertrag enthält eine Klausel, nach der eine abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann. Voraussetzung ist die Zustimmung der Gesellschafter, die weniger Gewinnausschüttung erhalten, als es ihrer Quote entspricht.
Punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss: Der BFH erkennt auch einen Beschluss an, der einstimmig von der Gesellschafterversammlung gefasst wurde und keine Anfechtung erfährt. Dies ermöglicht eine einmalige, von der Satzung abweichende Verteilung der Gewinne, ohne dass die Satzung selbst geändert wird. In diesem Fall liegt eine inkongruente Ausschüttung vor, die steuerlich berücksichtigt werden muss und zivilrechtliche Wirksamkeit entfaltet. Ein satzungsdurchbrechender Beschluss ist jedoch dann nichtig, wenn dabei nicht alle formellen und materiellen Anforderungen einer Satzungsänderung erfüllt sind, selbst wenn dieser einstimmig gefasst wurde.
Gespaltene Gewinnverwendung, zeitlich inkongruente Gewinnausschüttung: Das BMF erkennt ebenfalls die sog. gespaltene Gewinnverwendung sowie zeitlich inkongruente Gewinnausschüttungen an. Der BFH hatte hierzu bereits am 28.9.2021 (Az.: VIII R 25/19) entschieden, dass ein Gesellschafterbeschluss, der vorsieht, dass der Gewinnanteil des Mehrheitsgesellschafters in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, auch steuerlich anzuerkennen ist. Das BMF führt weiter aus, dass diese Urteilsgrundsätze nicht im Widerspruch zu den Regelungen in H 20.2 EStH 2023 zum „Zuflusszeitpunkt bei Gewinnausschüttungen – Beherrschender Gesellschafter/Alleingesellschafter“ stehen.
Aktiengesellschaft
Im Gegensatz zu GmbHs sind inkongruente Gewinnausschüttungen bei AGs weniger häufig steuerlich anzuerkennen. Die strengeren Regelungen resultieren daraus, dass die Gewinnverteilung grundsätzlich dem Verhältnis der Anteile am Grundkapital folgen muss. Um die Interessen der Aktionäre zu wahren, werden inkongruente Gewinnausschüttungen bei AGs nur steuerlich anerkannt, wenn in der Satzung ein abweichender Verteilungsschlüssel gem. § 60 Abs. 3 AktG festgelegt wurde. Eine abweichende Ausschüttung auf der Basis eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses oder einer Öffnungsklausel ist bei AGs nicht zulässig.