„Sanieren oder ausscheiden“ – Zum Umgang mit widerspenstigen Gesellschaftern in Krisenzeiten
In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit sehen sich Unternehmen vermehrt mit steigenden Kosten und sinkenden Einnahmen konfrontiert. Hinzu kommen oft Differenzen unter Gesellschaftern über die geeignete Sanierungsstrategie. Ein Beispiel soll nachfolgend die Lösungsmöglichkeiten für ein geeignetes Sanierungskonzept verdeutlichen.
Beispiel-Sachverhalt
Einer GmbH droht die Zahlungsunfähigkeit. Die Geschäftsführung entwickelt mit fachkundiger Beratung ein Sanierungskonzept, das Gesellschafterbeiträge in das Eigenkapital voraussetzt. Während 70% des Kapitals zu einer Erhöhung bereit sind, verweigern 30% die Zustimmung. Die Minderheit schlägt stattdessen Gesellschafterdarlehen durch die Mehrheit vor. Aus Sicht der Mehrheitsgesellschafter liefe dies jedoch einseitig zu ihren Kosten und mit dem Risiko auf ein „Trittbrettfahren“ der Minderheit.
Fraglich ist, welche Handlungsoptionen die Geschäftsführung und die Mehrheitsgesellschafter haben.
Kapitalherabsetzung und -erhöhung
Eine Kapitalherabsetzung auf null, gefolgt von einer Erhöhung durch die bereitwilligen Gesellschafter, scheitert an der erforderlichen Mehrheit von 75%.
Zustimmungsverpflichtung der Minderheit
Der BGH hat mit Urteil vom 19.10.2009 (Az.: II ZR 240/08) entschieden, dass Gesellschafter einer zahlungsunfähigen Personengesellschaft einer Sanierung zustimmen müssen, wenn ihre finanzielle Lage durch den Sanierungsplan nicht schlechter ist als bei einer Liquidation. Der Fall betraf einen Immobilienfonds in der Rechtsform der OHG, bei welcher Gesellschafter persönlich für Gläubigerausfälle hafteten. Hier war deutlich dargelegt, dass die Sanierung der Immobilien finanziell die eindeutig günstigere Lösung war.
Ob diese Rechtsprechung auf die GmbH übertragbar ist, bleibt umstritten, weil bei einer GmbH keine persönliche Haftung der Gesellschafter besteht. Trotzdem gibt es in der Literatur und der obergerichtlichen Rechtsprechung (z.B. OLG Köln vom 6.5.2021, Az.: 18 U 133/20) Überlegungen, diese Prinzipien auf GmbHs zu übertragen.
Für eine Verpflichtung zur Zustimmung zur Sanierung müssen drei Kriterien erfüllt sein:
- Die Gesellschafter dürfen durch den Zusammenbruch nicht schlechter gestellt werden als im Falle des Ausscheidens.
- Es darf keine schonendere Alternative geben.
- Die Sanierung muss erfolgversprechender sein.
Auch wenn im Einzelfall vieles dafür spricht, dass die drei Kriterien erfüllt sind, kann ein Rechtsstreit unsicher und langwierig sowie einstweiliger Rechtsschutz für solch weitreichende Maßnahmen schwer zu erlangen sein.
Restrukturierungsverfahren (StaRUG)
Eine Alternative könnte ein Restrukturierungsverfahren nach dem seit 2021 geltenden „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“ (StaRUG) sein. Wenn die Gesellschafter keine einvernehmliche Sanierungslösung finden, ermöglicht das StaRUG eine diskrete und schnelle Alternative, um ohne ein öffentliches Insolvenzverfahren auch blockierende Gesellschafter gegen ihren Willen mit gerichtlicher Unterstützung in die Sanierung einzubeziehen.
In einem Restrukturierungsplan kann mit jedem gesellschaftsrechtlich zulässigen Mittel in Rechte der Anteilsinhaber eingegriffen werden, etwa durch einen Debt Equity Swap oder einen Kapitalschnitt. Allerdings müssen 75% der betroffenen Gruppen zustimmen. Wenn die Gesellschafter nicht in sanierungswillige und unwillige Gruppen aufgeteilt werden, fehlen im oben beschriebenen Sachverhalt 5%. Weiterhin ist vieles noch unklar, etwa ob die Geschäftsführung vorab einen Mehrheitsbeschluss mit 75% für die Einleitung des Verfahrens benötigt. Daher sind eine fachkundige Beratung und auch Abstimmung mit dem Sanierungsgericht dringend zu empfehlen.
Insolvenzverfahren mit Schutzschirm
Ein Insolvenzantrag mit Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung bietet im Rahmen des Insolvenzplans ebenfalls weitgehende Eingriffsmaßnahmen in die Gesellschafterstellung. Zusätzlich stehen alle sonstigen Sanierungsinstrumente des Insolvenzrechts bereit, etwa
- die Arbeitnehmerrechte und Sozialplanansprüche zu beschränken,
- die Erfüllung offener und unrentabler Verträge abzulehnen und
- das Insolvenzgeld als Sanierungshilfe zu nutzen.
Indes fordert dieser Schritt wegen der damit einhergehenden Öffentlichkeitswirkung Mut und Zuversicht, führt aber zu einer umfassenden und schnellen Generalbereinigung mit Neuordnung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse – und am Ende idealerweise zum Fortbestand des Unternehmens unter Führung der sanierungswilligen Gesellschafter.