Blogbeitrag
22.04.2025

Das Bundesarbeitsgericht hat eine Rechtsprechungsänderung in Bezug auf virtuelle Aktienoptionen vollzogen. Hat ein Arbeitnehmer im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen bereits ausübbare („gevestete“) virtuelle Optionsrechte erworben, können diese nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Eigenkündigung nicht sofort verfallen. Es ist zu erwarten, dass die Rechtsprechungsänderung erhebliche Auswirkungen in der Praxis hat.

Maha Steinfeld ist Rechtsanwältin bei PKF Fasselt

von
Maha Steinfeld

Sachverhalt

Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers (Klägers) bei der Arbeitgeberin (Beklagte) bestand vom 1. April 2018 bis zum 31. August 2020 und endete durch fristgerechte Eigenkündigung. Während des Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger ein Angebot auf Zuteilung von virtuellen Optionsrechten. Nach den Bestimmungen der Beklagten für Mitarbeiter-Aktienoptionen (Employee Stock Option Provisions „ESOP“) setzte die Ausübung der virtuellen Optionen u.a. deren Ausübbarkeit nach Ablauf einer Vesting-Periode voraus. Nach den Regelungen der ESOP verfielen bereits ausübbare („gevestete“), aber noch nicht ausgeübte virtuelle Optionen, wenn das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers endete. Im Übrigen verfielen „gevestete“, aber noch nicht ausgeübte virtuelle Optionen sukzessiv innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Ende des Arbeitsverhältnisses. Nach Ausspruch der Eigenkündigung machte der Kläger einen Anspruch auf die virtuellen Optionen geltend. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte den Anspruch mit Verweis auf die Verfallklausel ab.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer - entgegen den Vorinstanzen - im Ergebnis Recht. 

Das Gericht entschied: 

  • Die „gevesteten“ virtuellen Optionen seien nicht mit Wirksamkeit der Eigenkündigung verfallen.
  • Denn die an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfende Verfallklausel halte einer vorzunehmenden AGB-Inhaltskontrolle nicht stand.
  • Die durch teilweisen Ablauf der Vesting-Periode „gevesteten“ virtuellen Optionen stellten eine Gegenleistung für die vom Kläger erbrachte Arbeitsleistung dar.
  • Daher würden die Interessen des Arbeitnehmers, der seine Arbeitsleistung bereits erbracht habe, nicht angemessen berücksichtigt, wenn der sofortige Verfall „gevesteter“ Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung erfolge.
  • Außerdem stelle der sofortige Verfall eine unverhältnismäßige Kündigungserschwerung dar.
  • Auch die weitere Verfallklausel, wonach bei sonstiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses die virtuellen Optionen innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren gestaffelt verfallen sollten, sei unwirksam. Denn die gevesteten virtuellen Optionsrechte sollten nach den Regelungen des ESOP doppelt so schnell verfallen, wie sie innerhalb der Vesting-Periode entstanden seien. Diese Klausel wurde ebenfalls als unangemessen angesehen.
  • An der bisherigen, abweichenden Rechtsauffassung (vgl. BAG vom 28. Mai 2008 – 10 AZR 351/07) hielt das Gericht ausdrücklich nicht mehr fest. 

Hinweis: Es sind derzeit noch die genauen Entscheidungsgründe des Gerichtes abzuwarten. Danach ist es möglich, etwaigen Anpassungsbedarf bestehender Regelungen in Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen zu erkennen, um diese an die aktuelle Rechtsprechung anzupassen. 

Quelle: Bundesarbeitsgericht vom 19. März 2025, Az. 10 AZR 67/24 (Pressemitteilung)

 

Über die Autorin: Maha Steinfeld ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der PKF FASSELT Partnerschaft mbB Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Rechtsanwälte (Mitgliedsunternehmen des PKF-Netzwerkes).

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