Blogbeitrag
04.03.2025

Bildungsleistungen sind unter bestimmten Voraussetzungen umsatzsteuerbefreit. Die Grundlage der Steuerbefreiung ist Art. 132 Abs. 1 lit. i, j MwStSystRL. Die Umsetzung ins deutsche Recht in Gestalt des § 4 Nr. 21 UStG war EU-rechtswidrig, weswegen die Vorschrift im sog. Jahressteuergesetz 2024 angepasst wurde.

Die wesentliche Änderung für den privatwirtschaftlichen Bereich besteht darin, dass „andere allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen“ im außerschulischen Bereich ab 01.01.2025 steuerbefreit sind, „wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen…“. Nach dem neuen Gesetzeswortlaut ist nicht mehr auf landesbehördliche Bescheinigungen alten Rechts abzustellen, nach denen diese Einrichtungen „auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten…“. 

Besonders an dieser Anpassung ist das Timing. Die Reaktivierung des zwischenzeitlich im Referentenwurf nicht enthaltenen Bescheinigungsverfahrens (erst) kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens sorgte für Betroffenheit bis Ratlosigkeit in der Unternehmenspraxis:

  • Sind Bescheinigungen, die auf den alten Gesetzestext lauten, noch gültig?
  • Besteht ggf. für die bescheinigungslose Zeit zwischen Antrag und Neuerteilung ein Vorsteuerabzug?
  • Kann evtl. Erstattungspotenzial aus der Vergangenheit über Vorsteuerberichtigungen realisiert werden?
  • Verteuern sich die Bildungsleistungen um den Umsatzsteuerbetrag, bzw. schmilzt die Marge, wenn diese an Endverbraucher erbracht werden?

Die Finanzverwaltung nahm vorerst den Druck aus der aufgeregten Debatte, indem sie im Schreiben vom 05.12.2024 - grundsätzlich begrüßenswert - die Auffassung der Bundesregierung wiedergab, dass die Bescheinigungen alter Lesart weiter gültig seien, zeitnah ein entsprechendes, umfängliches, weiteres Schreiben ankündigte und die Auffassung umgehend umsetzte, also altbescheinigte Befreiungen akzeptierte.

Fraglich ist jedoch, ob diese Auffassung einer finanzgerichtlichen Überprüfung Stand hält. Denn das Schreiben vom 05.12.2025 bindet lediglich die Finanzverwaltung. Ein Finanzrichter, der sich zuvörderst am Gesetzwortlaut orientiert, wird naheliegend die Wirksamkeit von Bescheinigungen alten Rechts in Zeiten neuen Rechts ggf. anders beurteilen. 

Des Weiteren erscheint es nicht selbstverständlich, dass neu beantragte Bescheinigungen ohne Weiteres erteilt werden, wenn befristete Altbescheinigungen ihre Gültigkeit verlieren. Es ist damit zu rechnen, dass die nunmehr vollumfängliche Feststellung der Steuerbefreiungsumstände auf Ebene der zuständigen (nichtsteuerlichen) Landesbehörden für lange Entscheidungsprozesse, ggf. für Nichtentscheidungen, sorgt. Denn die von den Beamten zu treffende Entscheidung ist geeignet, beim betroffenen Unternehmer zu umsatzsteuerlichen Verwerfungen zu führen, wenn sie nicht in Einklang mit dem EU-Recht getroffen wird und daher später zu Korrekturen führt (entweder eingangsseitig aufgrund unzutreffend hoch vorgenommenem Vorsteuerabzug oder ausgangseitig infolge unzutreffender Steuerbefreiung nicht abgeführter Umsatzsteuer). Die steten Impulse für die Entscheidung der Beamten aus dem EU-Recht (Art. 43 MwStVO) oder aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind eine große Herausforderung. Denn ist das Ziel, langfristig haltbare Entscheidungen zu treffen, hat der Beamte Kriterien einzubeziehen, wie sie etwa aus der sog. „Flugunterricht“-Entscheidung des BFH vom 13.11.2024 (Az. XI R 31/22) hervorgehen. Es darf zumindest bezweifelt werden, ob in diesem konkreten Beispiel Landesbeamte ad hoc in der Lage und willens sind, im Sinne dieser Entscheidung zu beurteilen, ob die Erlangung der Privatpilotenlizenz Voraussetzung für die Verkehrspilotenlizenz ist.

Zusammenfassend ist festzuhalten:

  • Betroffene Unternehmer sind aufgerufen, sicherheitshalber so schnell wie möglich eine Bescheinigung gem. der neuen Befreiungsvorschrift zu beantragen.
  • Es ist ratsam, den Antrag ausführlich auszugestalten und die Erläuterung detailliert zu belegen (Programm, Stundenpläne, berufs- / ausbildungsspezifischer Zweck etc.).
  • In entsprechend gelagerten Fällen sind Vorbereitungen zu treffen, wie ggf. damit umzugehen ist (z. B. umsatzsteuerbedingte Verteuerung von Bildungsleistungen an Endverbraucher), wenn eine Bescheinigung künftig nicht mehr erteilt wird oder ein vorteilhafter Vorsteuerabzug künftig entfällt. 
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