Wie gewonnen, so zerronnen – das könnte das Ergebnis der aktuellen Entwicklung eines von zwei Revisionsverfahren zu § 57 Abs. 3 AO sein, über die wir bereits beim letzten Stiftungsforum Rhein-Ruhr berichtet haben.
Worum geht es?
§ 57 Abs. 3 AO lässt seit 2020 eine sogenannte arbeitsteilige Gemeinnützigkeit zu. D. h. gemeinnützige Einrichtungen müssen nicht mehr selbst unmittelbar gemeinnützig tätig sein, sondern satzungsmäßig erbrachte bloße Serviceleistungen (z.B. Buchhaltung, Abrechnungen, IT, Wäschereien, Laboruntersuchungen, Beschaffungen, Facility-Management, Vermögensverwaltung für gemeinnützige Einrichtungen) für andere gemeinnützige Einrichtungen können ausreichen. Etwaige Entgelte fallen nicht in die Sphäre eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, sondern gehören zum steuerbegünstigten Zweckbetrieb. Im Revisionsverfahren V R 22/23 hat die Finanzverwaltung dem BFH primär die Frage vorgelegt, ob Voraussetzung für ein satzungsmäßiges planmäßiges Zusammenwirken i. S. d. § 57 Abs. 3 AO ausdrückliche Regelungen in den Satzungen aller beteiligten Körperschaften erfordert (sogenanntes „doppeltes Satzungserfordernis“) wie es im AEAO Nr. 8 zu § 57 AO verlangt wird. Das Finanzgericht Hamburg hatte dies verneint und der Klage einer GmbH auf Wiederanerkennung ihrer Gemeinnützigkeit stattgegeben.
Dieser bisher zentralen gemeinnützigkeitsrechtlichen Rechtsfrage misst der BFH nun allerdings nur wenig Bedeutung bei und gibt mit wenigen Sätzen zu erkennen, dass er das Urteil des Finanzgerichts insoweit für richtig hält. Eine doppelte Satzungsregelung hält er nicht für erforderlich. Dafür begründet der BFH in dem zweiundzwanzig Seiten umfassenden Vorlagebeschluss ausführlich, dass er § 57 Abs. 3 AO seit seiner Einführung bis heute wohl für nicht anwendbar hält, weil es sich um eine Beihilfe handle, die vor ihrer erstmaligen Anwendbarkeit das Prüfverfahren nach § 108 Abs. 3 AEUV hätte durchlaufen müssen. Das Finanzgericht hatte das Thema in seinem Urteil kurzerhand durch Einordnung von § 57 Abs. 3 AO als unbedeutende Modifikation einer Altbeihilfe erledigt.
Das wesentliche Problem sieht der BFH darin, dass weit mehr Fallkonstellationen unter § 57 Abs. 3 AO subsummiert werden können als sie der Gesetzgeber wohl vor Augen hatte. Beispiel in der Gesetzesbegründung war eine aus einem Krankenhaus in eine Tochtergesellschaft ausgegliederte Wäscherei. Wie der Urteilsfall zeige, könne steuerbegünstigt nach § 57 Abs. 3 AO z.B. auch eine GmbH sein, die beliebige Leistungen an eine Vielzahl von gemeinnützigen Einrichtungen erbringe (Beispiele des BFH: Rn. 55 – Stromlieferungen, Rn. 56 - Großwäscherei, Rn. 57 Buchhaltung/Rechnungswesen). Darin liege eine wesentliche Erweiterung des Kreises der Begünstigten. Somit liege wohl keine Altbeihilfe, sondern eine Neubeihilfe vor, für die nach EU-Recht im Gesetzgebungsverfahren 2020 eine Zustimmung der EU-Kommission erforderlich gewesen wäre.
Besteht derzeit Handlungsbedarf?
Die aktuelle Entwicklung des Rechtsstreits birgt erhebliche Gefahren für gemeinnützige Arbeitsteilungen nach § 57 Abs. 3 AO sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft. Betroffene Einrichtungen sollten sich zeitnah damit befassen, ob und ggf. in ihrem konkreten Fall vorsorgliche Gestaltungen möglich sind.