Ziel der Richtlinie ist es, eine bessere Einhaltung der Mehrwertsteuer-Vorschriften bei Einfuhren zu gewährleisten, indem die bei der Einfuhr entstehende Mehrwertsteuer auf den Lieferer verlagert wird. Betroffene Unternehmer können für die Erklärung und Entrichtung der Steuer die Vereinfachung des Import-One-Stop-Shops (IOSS) nutzen und die ansonsten erforderliche umsatzsteuerliche Registrierung im Bestimmungsland vermeiden.
IOSS – Einzige Anlaufstelle für die Einfuhr
Das IOSS Verfahren ist eine mehrwertsteuerliche Sonderregelung für Unternehmer, die Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € ausführen. Zudem richtet sich das Verfahren an Unternehmer, die eine elektronische Schnittstelle zur Verfügung stellen, durch deren Nutzung sie die Lieferung von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € unterstützen. Diese Unternehmer werden deshalb behandelt, als ob sie die Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten. Die Sonderregelung ermöglicht es, die Umsätze in der EU in einer Erklärung an eine zentral zuständige Stelle der Finanzbehörden im betroffenen Mitgliedstaat (z.B. in Deutschland: Bundeszentralamt für Steuern) zu übermitteln und zu entrichten, anstatt mehrwertsteuerliche Registrierungen in jedem EU-Mitgliedstaat zu begründen und aufrechtzuerhalten.
Unternehmer, die am IOSS Verfahren teilnehmen, haben keine Einfuhrumsatzsteuer auf die eingeführten Gegenstände in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € zu entrichten (Befreiung). Voraussetzung ist, dass die individuelle Identifikationsnummer des Lieferers oder die dem in seinem Auftrag handelnden Vertreters von Importeuren aus Drittländern in der Zollanmeldung angegeben wird. Das IOSS Verfahren ist in diesen Fällen das Erhebungsverfahren nicht für die Einfuhrumsatzsteuer, sondern (nur) für die Umsatzsteuer auf die lokale Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat. Wird IOSS nicht genutzt, gelangt eine Sondererhebungsform zur Anwendung (sog. „Special Regime“). Im Rahmen des Special Regimes wird Einfuhrumsatzsteuer erhoben (keine Befreiung), vom Endkunden geschuldet („DDU“ oder „DAP“) und vom Post- oder Kurierdienst beim Endverbraucher in Empfang genommen und abgeführt.
Künftig ab 1. Juli 2028
Maßgebliche Änderung der Richtlinie ist es, dass drittlandsansässige Lieferer (also z.B. Onlinehändler) und fiktive Lieferer (also z.B. Verkaufsplattformen) künftig in Bezug auf die Einfuhrumsatzsteuer und die Mehrwertsteuer aus Fernverkäufen von Gegenständen, die in die Mitgliedstaaten des Bestimmungsorts eingeführt werden, dort steuerpflichtig werden. Dies zieht grundsätzlich die Verpflichtung zur mehrwertsteuerlichen Registrierung im jeweiligen EU-Mitgliedstaat nach sich. Die Registrierungspflicht entfällt, wenn IOSS genutzt wird. Insofern dürfte die Nutzung des IOSS für drittlandsansässige Lieferer mit entsprechendem Flow of Goods regelmäßig als kosten- und verwaltungsärmerer Umgang mit der Umsatzsteuer in der EU faktisch unumgänglich sein. Der Umstand im Rahmen des IOSS mit der Registrierung in einem EU-Mitgliedstaat sämtliche der ggf. mannigfachen umsatzsteuerlichen Compliancepflichten in sämtlichen Mitgliedstaaten erledigen zu können, erhöht die Attraktivität von IOSS deutlich. Zugleich wird die Hoffnung genährt, auf diese Weise besser Umsatzsteuerausfällen im drittlandsbasierten E-Commerce wirksam im Sinn gleicher Wettbewerbsbedingungen entgegenzutreten. Das Special Regime entfällt künftig.
Weiterer Verlauf
Der vorliegende Entwurf der Richtlinie zur Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (2006/112/EG) bedarf formal der einstimmigen Annahme durch den Rat der EU. Zwanzig Tage nach der Veröffentlichung der angenommenen Fassung im Amtsblatt der EU tritt die Richtlinie in Kraft und ist ab dem 1. Juli 2028 anzuwenden.