Blogbeitrag
28.02.2025

Manchmal erscheinen BFH-Urteile zum Zollrecht wie aus dem Sommerloch (vgl. unseren Beitrag zur Tarifierung von Kirschkernkissenbezügen), manchmal passend zum gerade eröffneten Karneval, so auch die gestern bekanntgewordene Entscheidung vom 7. November 2024 (VII R 8/24). Der Fall bildet zugleich ein Beispiel für einen zollrechtlichen Disput bis zum Äußersten, d.h. bis hin zur Einschaltung des EuGH.

Der Streitgegenstand entstammt wie so häufig bei Zollfragen dem prallen Leben und wird vom BFH anschaulich als „Waren unterschiedlicher Größe und Machart, die als Kälberhütten oder Kälberiglus bezeichnet werden, [beschrieben]. Die aus einem Gehäuse (Wände und Dach) und ‑‑modellabhängig‑‑ zum Teil auch einem Fußbodenelement bestehenden Waren sind mit Einstreu- und Belüftungsöffnungen sowie an der Vorderseite mit einer Eintrittsöffnung ohne Tür versehen. Für einige Modelle sind Türen als optionales Zubehör erhältlich. Lediglich die größte Hütte, eine Gruppenhütte, wird ohne Bodenelement eingeführt und anschließend um einen Boden aus Massivholz ergänzt. Das kleinste streitgegenständliche Modell besitzt eine Länge von 147 cm, eine Breite von 109 cm und eine Höhe von 117 cm. Das größte Modell ‑‑die Gruppenhütte ‚A‘‑‑ hat die Maße 220 cm x 273 cm x 183 cm. Die Kälberhütten werden üblicherweise außerhalb von Ställen aufgestellt und dienen den Tieren als Witterungsschutz. Sie bestehen aus Polyethylen (mit einem Anteil von 8 % Titaniumdioxid) und einem Metallrahmen als Grundlage jeder Hütte. Zudem ist ein metallischer Rahmen in den Türrahmen eingeschweißt. Der Anteil dieser metallischen Bauteile an der Gesamtware variiert zwischen 12 % und 21 %.“

In Bezug auf diese Waren begehrte die Klägerin am 5. August 2015 eine verbindliche Zolltarifauskunft und vertrat dabei die Ansicht, es handele sich um „vorgefertigte Gebäude“, bestehend „aus anderen Stoffen“ im Sinne der Kombinierten Nomenklatur (KN). Das Hauptzollamt wollte hingegen „andere Waren aus Kunststoffen, andere als von den Unterpositionen […] erfasst“ erkennen. 

Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ebenso erfolglos wie die folgende Klage (FG Hamburg vom 18. Juni 2019, 4 K 236/16). Eigentlich wäre der Fall damit beendet gewesen.

Der Kläger legte jedoch Beschwerde ein, die als Revisionsverfahren weitergeführt wurde (BFH vom 4. Juni 2020, VII B 85/19). Der BFH holte  dann eine Vorabentscheidung beim EuGH über die Frage ein, ob „… ein ‚vorgefertigtes Gebäude‘ eine Ware aus Kunststoff umfasst, die dem Schutz von Tieren gegen Witterungseinflüsse dient, als ‚Kälberhütte‘ bezeichnet wird sowie über ein Dach und Wände verfügt, die jedoch nicht notwendigerweise einen zu allen Seiten vollständig umschlossenen Raum bildet und deren Abmessungen es einem durchschnittlich großen Menschen nicht erlauben, sie in aufrechter Körperhaltung zu betreten und darin aufrecht stehend Tätigkeiten nachzugehen“ (BFH vom 23. August 2022, VII R 25/20) . Dies verneinte der EuGH mit Judikat vom 13. Juni 2024 (C-104/23). Und nun erging schon weniger als fünf Monate später das End-Urteil des BFH: 

  • Der BFH verwehrt sich gegen das Begehren des Klägers, den Fall zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückzuverweisen. Vielmehr sieht sich das Gericht angesichts der o.g. Schilderungen an die entsprechenden Tatsachenfeststellungen des FG gebunden und zugleich für eine rechtliche Würdigung ausreichend mit Informationen versorgt.
  • Materiell stellt das Gericht darauf ab, dass in einem Gebäude ein durchschnittlich großer Mensch stehen können müsse, was selbst bei der größten Hütte angesichts europäischer Durchschnittsgrößen von regional bis zu 1,84 m schon ohne Berücksichtigung der Schuhsohlendicke sowie des evtl. weiteren Höhenverlusts durch Einstreu und ggf. zu berücksichtigender weiteren Höhebedarfs für die durchzuführende Arbeiten nicht der Fall sei. Dementsprechend weist der BFH die Revision als unbegründet zurück.

Roma locuta, causa finita? Zwischen dem Antrag auf Zolltarifauskunft und der BFH-Entscheidung vergingen über neun Jahre. Viele der in den Kälberhütten untergebrachten Tiere sind im Zweifel längst tot, und auch die Zolltarifauskunft ist ausgelaufen. Ist man lange Verfahrensdauern bis zum Ergehen einer BFH-Entscheidung z.B. vom Ertragssteuerrecht her mehr oder minder gewöhnt, so sind sie im Zollrecht doch besonders problematisch, liegt doch regelmäßig eine Warenbewegung zugrunde, deren Schnelligkeit und Leichtigkeit für unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand unerlässlich erscheinen. Selbst wenn die Dauer dieses Verfahrens nicht den Regelfall darstellt, bleibt daher zu fragen, inwieweit eine Beschleunigung möglich wäre. Wie lange hätte sich die End-Entscheidung zudem noch hingezögert, wenn der BFH den Fall erst an das FG zurückverwiesen hätte?

Andererseits ist der Finanzverwaltung wohl nichts vorzuwerfen, hatten doch die Behörden ursprünglich wie auch im Einspruchsverfahren im Ergebnis materiell zutreffend sowie offenbar zügig entschieden. Auch bei den Gerichten sind jeweils keine überlangen Verfahrensdauern zu erkennen. Die lange Gesamtdauer scheint daher vornehmlich darauf zurückzuführen, dass der Kläger sich mit den jeweiligen Entscheidungen nicht zufriedengab und ist folglich der Preis für die Rechtsstaatlichkeit und das umfassende rechtliche Gehör.

Unabhängig von all diesen Betrachtungen wünschen wir allen Leser:innen frohe Faschings-, Karnevals- bzw. Fastnachtstage.

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