Häufig ist umstritten, welche Aktivitäten innerhalb des Konzerns in welcher Weise zu vergüten sind, um steuerliche Korrekturen zu vermeiden. Diese Frage betrifft sowohl rein innerdeutsche als auch grenzüberschreitende Unternehmensgruppen. Nach einem aktuell bekanntgewordenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Dezember 2022 (I R 41/21) kann z.B. bei innerhalb der Gruppe nicht verrechneten Vertriebsaktivitäten einer Konzerngesellschaft, die auch anderen Konzerngesellschaften zugutekommen, eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen sein. Der entschiedene Fall erscheint speziell, die mögliche Breitenwirkung ist aufgrund der Übertragbarkeit auf andere Konstellationen nicht zu unterschätzen.
Der (vereinfachte) Fall
Eine deutsche Tochter-GmbH eines ausländischen Pharmakonzerns vermarktete und vertrieb die konzerneigenen Original-Arzneimittel in Deutschland. Die GmbH setzte dazu u.a. Außendienstmitarbeitenden ein, deren Vergütung sich nach dem Gesamtabsatz der Originalprodukte des Konzerns in Deutschland richtete.
Es besteht jedoch die Besonderheit, dass deutsche Apotheken verpflichtet sind, ihre Original-Arzneimittel z.T. über sog Parallelimporte zu decken Der Einkauf der Apotheken erfolgte insoweit nicht bei der erwähnten deutschen GmbH, sondern bei unabhängigen Anbietern („Parallelimporteuern“), die ihre Ware wiederum von unabhängigen Großhändlern aus EU-Staaten mit günstigerem Preisniveau beziehen. Die deutsche GmbH erhielt für ihre Marketingaktivitäten von ihrer ausländischen Muttergesellschaft keine Vergütung, obgleich in die o.g. Vergütung der erwähnten Außendienstmitarbeitenden auch die Parallelimporte einflossen.
Vor diesem Hintergrund vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die o.g. Marketingaktivitäten der deutschen GmbH auch den ausländischen Teilen des Pharmakonzerns insoweit zugutekämen, als sie sich positiv auf die Parallelimporte auswirkten, nahm eine vergütungspflichtige Geschäftsbeziehung an und korrigierte die fehlende Vergütung über eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Demgegenüber argumentierte die GmbH, dass das Finanzamt den Nachweis schuldig geblieben sei, dass einem konzernfremden deutschen Vertriebsunternehmen eine höhere Nettomarge als der GmbH verblieben wäre. Das Finanzgericht Nürnberg urteilte am 20. Juli 2021 (1 K 1388/19) zugunsten der GmbH, wogegen sich das Finanzamt mit der Revision wandte.
Die Entscheidung
Der BFH stellt zunächst klar, dass in der vorliegenden Situation dem Grunde nach eine vGA vorliegt, wenn der Muttergesellschaft bzw. ihr nahestehenden Personen aufgrund der Tätigkeiten der deutschen GmbH eigene Aufwendungen erspart bleiben. Eine solche Aufwandsersparnis kann sich z.B. aus dem Verzicht auf die Vereinbarung eines Erstattungs-/Ausgleichsanspruchs der GmbH gegenüber (hier: ausländischen) Konzerngesellschaften ergeben. Zwar hatte das Finanzgericht (FG) hierzu ausgeführt, dass die deutsche GmbH kein Druckmittel „gegenüber der Konzernmutter gehabt habe, um hierfür eine Vergütung einzufordern und auch ein fremder Dritter insofern keine erfolgversprechende Verhandlungsposition gehabt hätte“. Nach Ansicht des BFH wird diese Aussage allerdings nicht durch entsprechende Feststellungen belegt. Vielmehr lege gerade die Tatsache, dass die Boni der Außendienstmitarbeitenden auch unter Einbeziehung der Parallelimporte ermittelt wurden, nahe, dass zwischen fremden Dritten diese Kosten weiterbelastet worden wären. Der BFH lässt es dabei nicht genügen, dass die GmbH insgesamt eine fremdübliche (und sogar überdurchschnittliche) Nettomarge aus ihrem Vertrieb erzielt hatte. Daher verweist der BFH die Sache zur Sachverhaltsermittlung und Entscheidung an das FG zurück.
Dabei gibt der BFH dem FG auf, u.a. den Anteil auf die Parallelimporte entfallenden Boni-Anteile an der Gesamtvergütung der Außendienstmitarbeitenden in seine Überlegungen einzubeziehen, da für ordentlich und gewissenhaft handelnde Geschäftsführer umso mehr eine Notwendigkeit zu einer angemessenen Vergütung der Aufwendungen bestehe, je höher dieser Anteil sei. Zudem müsse das FG auch die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils der Muttergesellschaft aus den Parallelimporten berücksichtigen, da auch dieser Faktor Einfluss auf das Verhalten ordentlicher und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter:innen haben könne. Auch seien ggf. Vergleiche mit Verträgen des Konzerns mit fremden Dritten (sog. interne Fremdvergleiche) dazu geeignet, Rückschlüsse auf ein fremdübliches Verhalten zu ziehen. Abschließend stellt der BFH klar, dass es ggf. Sache des Steuerpflichtigen sei zu beweisen, dass in der erwähnten überdurchschnittlichen Marge eine Kompensation für die infragestehenden Marketingleistungen enthalten sei.
Im Ergebnis schreibt der BFH dem FG daher folgende Prüfschritte ins Stammbuch:
- Die Einbeziehung auch der Parallelimporte in die Vergütung der Außendienstmitarbeitenden legt für den BFH die Annahme nahe, dass die Marketingaktivitäten der GmbH dem Grunde nach fremdüblich zu vergüten seien. Das FG hat daher auf der Basis dieser Annahme die Veranlassung der fehlenden Vergütung im Gesellschaftsverhältnis zu prüfen. Dabei seien nicht nur hypothetische Überlegungen anzustellen, sondern ggf. auch etwa Marktstudien oder Verträge mit fremden Dritten zu berücksichtigen.
- Bei der Prüfung der Vergütung der Höhe nach könnte auf die noch um einen angemessenen Aufschlag zu erhöhende, anteilige Entlohnung der Außendienstmitarbeitenden für die Parallelimporte abgestellt werden. Der BFH spricht sich insoweit offenbar für eine Anwendung der Kostenaufschlagsmethode auf Basis der direkten Kosten aus.
Beurteilung
Zu den Ausführungen des BFH im Einzelnen
Dreh- und Angelpunkt der Überlegungen des BFH ist die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis.
- Aus Sicht der deutschen Vertriebs-GmbH gilt hierzu: Soweit die (im Übrigen: fremden Dritten) Außendienstmitarbeitenden marktüblich vergütet werden, kann sich für die GmbH nur die Frage stellen, ob sie ihren (eigenen) Vertrieb durch die Beschäftigung von Außendienstmitarbeitenden fördern will oder nicht. Die GmbH wird sich aus dem eigenen ökonomischen Antrieb für den Einsatz von Außendienstmitarbeitenden entscheiden, solange sie einen die (Grenz)Kosten überschreitenden (Grenz-)Ertrag erwartet. Eine Veranlassung aus dem Gesellschaftsverhältnis liegt dann insoweit nicht vor.
- Wenn der BFH ausführt, dass aus der Einbeziehung der Parallelimporte in die Boni (offenbar gemeint: in deren Bemessungsgrundlage) die Annahme der Vergütungspflicht dem Grunde nach nahelege, verkennt dies zudem das Folgende: Solange die Gesamtvergütung marktüblich ist, ist es grundsätzlich ökonomisch gleichwertig, ob für die Boni eine Bemessungsgrundlage nur in Gestalt des Absatzes durch die GmbH vereinbart wird oder aber in die Bemessungsgrundlage auch die Parallelimporte einfließen, wenn zugleich die Bonusstaffelung im Hinblick auf die erwarteten, ggf. um einen Unsicherheitszuschlag erhöhten Parallelimporte angepasst wird. Die jeweilige gedankliche Kalkulation der Entlohnung wird dabei stets im Bereich der inneren Tatsachen und damit in der Praxis steuerlich im unbestimmbaren Dunklen bleiben.
- Zutreffend hält der BFH fest, die Muttergesellschaft sei desto mehr zu einer Vergütung bereit, je höher ihr absoluter Vorteil aus den Parallelimporten liege. Der Anteil der Parallelimporte am Gesamtabsatz kann hierfür allerdings nur ein schwaches Indiz sein. Vor allem aber gilt: Dass eine erste Person (hier: die Muttergesellschaft) bereit wäre, für ein bestimmtes Verhalten einer zweiten Person (hier: der GmbH) ein Entgelt zu zahlen, heißt bekanntlich nicht, dass zwischen diesen Personen unter fremden Dritten auch eine entsprechende Verhaltensabrede getroffen sowie eine Vergütung vereinbart und gezahlt würde. Solange die zweite Person das infragestehende Verhalten schon aus ihrem eigenen anderweitigen ökonomischen Interesse zeigt (s.o.), ist nämlich ihre Preisobergrenze insoweit negativ, so dass auch ein hypothetischer Preis von null innerhalb des hypothetischen Einigungsbereichs liegt. Zumindest dann, wenn für die die GmbH das infragestehende Verhalten (hier: der Vertrieb unter Einschaltung von eigenen Außendienstmitarbeitenden) von existenzieller Bedeutung ist, während die erste Person auch über andere Ertragsquellen verfügt (die Muttergesellschaft kann ihre Produkte z.B. im Zweifel auch auf anderen Märkten absetzen), ginge es aufgrund der Verteilung der „options realistically available“ zudem fehl, über einen von null abweichenden Einigungswert auch nur ernsthaft nachzudenken.
Im Hinblick auf all diese Aspekte darf die weitere Sachverhaltsermittlung und -beurteilung durch das FG Nürnberg jedenfalls mit Spannung erwartet werden. Dies gilt neben den bisherigen Überlegungen zu einem drittvergleichskonformen Verhalten dem Grunde nach im Übrigen auch für die Höhe der evtl. Verrechnungspreiskorrektur, da sich z.B. aus den Ausführungen des BFH nicht klar ergibt, inwieweit dem mit „angemessenen Aufschlag“ auch die Gemeinkosten abgedeckt werden sollen, oder inwieweit nur ein Gewinnzuschlag gemeint ist. Jedenfalls dürfte zu erwarten sein, dass - sollte es einer Entscheidung über die vGA der Höhe nach überhaupt bedürfen - der Gewinnaufschlag mittels Datenbankstudien zu ermitteln sein wird.
Zum Ansatz des BFH im Allgemeinen: Zunehmende Erfassung von Spill-over-Effekten?
Die Überlegungen des BFH erscheinen auf den ersten Blick durchaus einleuchtend. Daher wird zum Teil bereits befürchtet, das Urteil könne neue Steuerbelastungen bei parallelen Vertriebsstrukturen (z.B. im Multi-/Omnichannel- oder im Plattformvertrieb) nach sich ziehen. Die mögliche Sprengkraft des Urteils geht aber über diesen Bereich weit hinaus, da auch andere Verhaltensweisen einer Person in den steuerlichen Fokus geraten könnten, welche sich im Sinne von positiven Spill-over-Effekten (auch) auf andere nahestehende Personen auswirken. Dieser Gefahr kann und muss mit einer zutreffenden und konsequenten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bzw. der richtigen Interpretation des Aspekts einer Veranlassung aus dem Gesellschaftsverhältnis begegnet werden. Hierauf sollten sich sowohl Steuerpflichtige als auch ihre Berater:innen vorbereiten.